Entwurf zum einem neuen Leitfaden Fischaufstiegshilfen veröffentlicht

Was ist neu? Was fehlt?

Der Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen war in den vergangenen Jahren eines der meistdiskutierten Regelwerke in der Branche, seit Jahren beharren wir auf eine Überarbeitung und einer Abmilderung der oft überschießenden Anforderungen. Diesen Sommer war es nun soweit - ein Entwurf für eine neue Fassung wurde an die StakeholderInnen ausgeschickt. Dieser geht zwar in einigen Punkten in die richtige Richtung, eine umfassende Anpassung an den Stand des Wissens ist allerdings nicht geschehen.

(Magazin WASSERKRAFT, Ausgabe 69, September 2020)

 

Neuerungen 

 

Zuerst das Positive. Im Entwurf der 2. Fassung des Leitfadens finden sich nun einige Neuerungen wie zum Beispiel auch neue Typen von Fischaufstiegshilfen, Klarstellungen zur Auffindbarkeit und andere kleinere und größere Erleichterungen. Insbesondere die bereits häufig eingebauten Typen des Multi-Struktur-Fischpasses und Fischaufstiegsschnecken (FAS), aber auch Fischlifte und Fisch(lift)schleusen sollen nun Erwähnung im Leitfaden finden und zumindest unter gewissen Umständen zum Einsatz kommen können.

 

Für die Fischaufstiegsschnecken (Monorohrschnecke und Doppelrohrschnecke) konnte der unbeschadete Aufstieg von insgesamt 30 heimischen Fischarten nachgewiesen werden. Dabei wurde auch ein breites Arten- und Altersspektrum dokumentiert. Einschränkend gilt jedoch für beide Bauformen, dass FAS derzeit nur für Gewässertypen empfohlen werden, in denen die Länge der größenbestimmenden Fischart 850 mm nicht übersteigt und auch langfristig keine Laichwanderung von Nasen in größeren Stückzahlen zu erwarten ist, da für diese beiden Fälle noch kein Nachweis gelungen ist. Da es aber auch keine besseren Ergebnisse für den Aufstieg von Nasen bei leitfadenkonformen FAHs gibt, erscheint diese Einschränkung mehr als fragwürdig. Fischaufstiegsschnecken zeichnen sich vor allem durch einen platzsparenden Einbau aus, wodurch insbesondere bei beengten Platzverhältnissen eine massive Kosteneinsparung möglich ist. Da für den Betrieb der Schnecken selbst kein Wasser nötig ist, sind sie zumeist auch langfristig wirtschaftlicher als herkömmliche FAHs.

 

Im Gegensatz dazu wird der Multi-Struktur-Fischpass (auch als enature FISHPASS und MABA-Fischpass bekannt) mittlerweile für alle Gewässer (außer der Donau) empfohlen. Der enature FISHPASS ist bekanntlich eine Weiterentwicklung des Vertical Slot Schlitzpasses mit der Absicht, die biologische Akzeptanz durch einen gleichmäßigeren Energieabbau deutlich zu erhöhen und gleichzeitig den Wasserdurchsatz der Wanderanlage zu minimieren. Fisch(lift)schleusen werden im Gegensatz dazu derzeit nur für Sonderstandorte empfohlen, an denen keine bewährten FAH-Typen eingesetzt werden können. Für mehrere Fischarten wurde zwar eine grundsätzliche Passierbarkeit nachgewiesen, aufgrund des intermittierenden Betriebes und der wenigen Monitoringergebnisse, insbesondere in fischreichen Gewässern, können derzeit aber noch keine konkreten Aussagen zur Funktionsfähigkeit getroffen werden. Weitere Ergebnisse von Funktionskontrollen sollen aber gesammelt und analysiert werden.

 

Weitere Neuerungen liegen zum Beispiel in Klarstellungen hinsichtlich der Auffindbarkeit von FAH Einstiegen, wo einige in der Praxis schwer einhaltbare und nicht dringend nötige Empfehlungen zur Lage gestrichen werden sollen. Auch hinsichtlich der Funktionsfähigkeit im Jahresverlauf und der Möglichkeit einer gestaffelten Dotation gibt es durchaus kleinere Verbesserungen. So sollten FAHs im Gebirge aufgrund der Wanderaktivität der Forellen im Winter auf geringere Abflüsse ausgelegt werden (Funktionsdauer von Q0 bzw. Q5 bis zu Q300 bzw. Q305), während im Potamal die Funktion bei höheren Abflüssen gewährleistet werden soll (Funktionsdauer von Q50 bis zu Q350). Dies scheint eine durchaus sinnvolle und ohne Mehrkosten umsetzbare Maßnahme zu sein. Ebenfalls wurde ergänzt, dass bei Laufkraftwerken im Hochwinter (Januar-Februar) aufgrund der sehr geringen Wanderaktivität die Dotation reduziert werden kann. Auch die Möglichkeit, vor Beginn der Planung die größenbestimmende Fischart und deren relevante Länge jedenfalls mit dem zuständigen Amtssachverständigen abzustimmen, kann grundsätzlich positiv gesehen werden, haben doch die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass selbst   in  Gewässern  mit  bestem  Fischbestand  kaum  Fische mit der Länge der „größenbestimmenden Fischart“ vorkommen. Gleichzeitig mit einer gewissen Flexibilisierung wird natürlich wieder mehr Verantwortung an die in das Projekt involvierten Personen abgegeben.

 

Auch ein Kapitel mit Möglichkeiten zur Unterstützung der Flussabwärtswanderung, das im Wesentlichen auf das von Kleinwasserkraft Österreich mitfinanzierte Projekt zum Fischschutz und -abstieg beruht, wurde ergänzt. Allerdings werden dabei zwar einige grundlegende Tipps gegeben, eine etwas detailliertere Beschreibung und Darstellung von Empfehlungen wäre jedoch durchaus wünschenswert. Gerade bei Kleinwasserkraftwerken ist davon auszugehen, dass eine gut situierte FAH auch für den Abstieg mehr als ausreichend ist.

 

Zu guter Letzt werden auch Beispiele für Anpassungen an Sondersituationen angeführt, was von Kleinwasserkraft Österreich grundsätzlich als positiv gesehen wird. Jedoch scheinen hier einige Optionen und Sondersituationen nicht (ausreichend) betrachtet. Grundsätzlich sollte ermöglicht werden, die Dotation der FAH mit der notwendigen Mindestrestwassermenge abzugleichen, sie also auf diese zu verringern, sollte die notwendige Restwassermenge unter der empfohlenen Dotation der FAH liegen. Dafür sollte neben der Verringerung der Wasserspiegeldifferenz explizit auch eine dauerhafte Verringerung der Schlitzweite und Wassertiefe infragekommen. Ergebnisse unserer Untersuchungen der vergangenen Jahre zeigen deutlich, dass eine solche Reduktion der Wassermenge um bis zu 50% problemlos (ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit) möglich ist.

 

Was fehlt? Leider viel!

Zwar ist eine gewisse „Bewegung“ erkennbar, viele Fakten, Praxiserfahrungen und Weiterentwicklungen werden aber leider immer noch ignoriert. Neben den bereits neu in den Leitfaden aufgenommenen FAH Typen gibt es aktuell weitere sehr gut funktionierende FAH-Bautypen, wie den „modifizierten Denilpass“ und die „2-Kammern- Organismenwanderhilfe“. Beide zeigen in mehreren Untersuchungen nicht nur eine volle Funktionsfähigkeit, sondern sind auch kostengünstige Alternativen zu den aktuell im FAH-Leitfaden zu findenden Typen und müssen ebenfalls als empfohlene Bautypen Eingang in den Leitfaden finden! Wir können jedenfalls nicht weitere acht Jahre warten, bis diese Systeme akzeptiert werden.

 

Der modifizierte Denilpass wird seit 2016 entwickelt und stellt eine sehr kompakte Bauform eines Fischaufstieges dar. Aufbauend auf erste Modellversuche im Wasserbaulabor folgten ab 2017 die Errichtung einer Pilotanlage an der Raab, welche hydraulisch und biotisch untersucht wurde. Mittlerweile wurden mit dem modifizierten Denil-Fischpass fünf Anlagen errichtet, wovon für vier Anlagen (zwei Anlagen in der Forellenregion, zwei Anlagen in der Barbenregion) bereits ein Funktionsnachweis erbracht wurde. Aufgrund der langjährigen Vorarbeit mit universitären Forschungsprojekten, der zahlreichen internationalen Studien, und der vielen Ergebnisse mit dem modifizierten Denilpass kann nun nicht mehr von einer Testphase gesprochen werden. Die gewonnenen Erkenntnisse belegen ein völlig verbessertes Strömungsbild gegenüber den bisherigen Varianten der Denil-Bautypen. Die bislang gegebene Problematik von Denil-Fischpässen hinsichtlich der Passage von schwimmschwachen und sohlorientierten Kleinfischen wurde z.B. zuletzt an der Pinka widerlegt.

 

 

Bei der 2-Kammern-Organismenwanderhilfe handelt es sich um eine Weiterentwicklung einer Fischschleuse. Die Technologie beruht auf einer patentierten hydraulischen Verschaltung zweier gegenläufig betriebenen Schleusenkammern. Aufgrund dieser Betriebsweise wird ein kontinuierliches Einschwimmen von Fischen von beiden Seiten in die Schleusenkammern ermöglicht und ein intermittierender Betrieb, welcher bei herkömmlichen Fischschleusen und Fischliften vorliegt, verhindert. Dies führt zu einer Steigerung der Effektivität und ermöglicht neben dem Fischaufstieg zeitgleich auch einen Fischabstieg. Dieser Anlagentyp zeichnet sich aber nicht nur durch Kompaktheit aus, grundsätzlich ist auch eine energetische Nutzung der Dotierwassermenge denkbar. Und auch hier zeigen die umfassenden technischen und fischökologischen Untersuchungen ausschließlich sehr positive und repräsentative Ergebnisse.

 

Ebenfalls fehlt die Behandlung von naturnahen Beckenpässen mit technischen Beckenübergängen, zumindest nicht in einer fachlich begründbaren Art und Weise. Denn hier gab es eine kleine Änderung mit einer massiven Auswirkung. Laut Entwurf sollen Beckenübergänge nur noch dann angerampt werden, wenn eine trapezförmige Steinschwelle gelegt wurde. Dies widerspricht nicht nur der mittlerweile bestens funktionierenden Praxis, Beckenpässe mit „technischen“ Übergängen und Rechteckprofilen zu gestalten, sondern es konterkariert sogar diese sinnvolle Weiterentwicklung. Die Vermutung der Autoren des Leitfadens, dass Beckenpässe mit rechteckigen Beckenübergängen nur ohne einer Sohlanhebung funktionieren, hat sich in den vergangenen Jahren in keinster Weise bewahrheitet. Im Gegenteil: Die technisch ausgeführten Beckenübergänge haben sich in den letzten Jahren bei dutzenden Anlagen bewährt und sind nicht zuletzt aufgrund der einfacheren Herstellung der Beckenübergänge dem im Leitfaden dargestellten System in Sachen Funktionsfähigkeit und Baukosten weit überlegen.

 

Aufgrund dieser und vieler weiterer offener Diskussions- punkte scheint es leider unrealistisch zu sein, zeitnah eine neue Fassung des Leitfadens Fischaufstiege zu erhalten. Dabei wäre es gerade jetzt, wo dank der neuen Mittel im UFG-Topf wieder Schwung in die Ökologisierung der Gewässer kommt, auch notwendig dafür den neuesten Stand des Wissens bereit zu stellen.

 

Entwurf FAH Leitfaden

 

Überblick Aktualisierungen