Kleinwasserkraft Österreich im Gespräch mit
Bundesministerin Leonore Gewessler

Kleinwasserkraft Österreich hat Bundesministerin Leonore Gewessler zum Interview gebeten und dabei mit ihr über die Gegenwart und Zukunft der Kleinwasserkraft in Österreich gesprochen.

KÖ: Die Grünen und die Wasserkraft waren historisch betrachtet nicht immer „beste FreundInnen“. Andererseits ist die Wasserkraft in Österreich mit einem Anteil von rund 60% Prozent an der inländischen Stromerzeugung ein unverzichtbarer Bestandteil einer Energiewende hin zu 100 Prozent Ökostrom. Unsere Mitglieder fragen sich nun, was von einer grünen Regierungsbeteiligung und einer für die Energiethemen verantwortlichen grünen Ministerin für die Kleinwasserkraft zu erwarten ist. Was ist Ihre Botschaft an sie?

 

LG: Für uns alle ist die Wasserkraft ein wichtiger Baustein einer sauberen Energieversorgung. Gerade Österreich hat hier historisch eine lange und erfolgreiche Tradition. Die Grünen haben wohl keine fundamental andere Meinung als die Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien, wir diskutieren nur offener. Die Energiewende, die wir nun vorhaben, wird sich sehen lassen können. Naturverträglichkeit ist bei all dem selbstverständlich sehr wichtig. Wir legen großen Wert darauf, dass alle mitgenommen werden – die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft, die Politik. Denn eine so ambitionierte Zielsetzung kann nur gemeinsam erreicht werden.

 

KÖ:  Bereits seit geraumer Zeit wird in Österreich eine höchst notwendige Novellierung der Energiegesetzgebung und der Ökostromförderung diskutiert. Die Richtung, die man dabei unter der Vorgängerregierung eingeschlagen hat, deutete für die Ökostrombranche aber eher auf Blockade hin. Etwa, wenn es um das Thema Ausschreibungen ging. Internationale Erfahrungen zeigen deutlich, dass Ausschreibungen in vielen Fällen zu weniger Planungs- und Investitionssicherheit und zu einem sinkenden Ökostromzubau führen – oft sogar zu höheren Kosten. Zusätzlich werden KleinbetreiberInnen und BürgerInnengenossenschaften aus dem Markt gedrängt. Im Regierungsprogramm ist die Rede davon, dass Ausschreibungen als Vergabemechanismus zur Anwendung kommen sollen, wo es im Sinne der Zielerreichung sinnvoll erscheint. Wie ist das zu verstehen? Wann können Ausschreibungen sinnvoll sein und wie sehen Sie dies speziell für die Kleinwasserkraft?

 

LG: Wir haben es mit einem klaren Mengenziel und mit Ausbaupfaden geschafft, bereits im Regierungsprogramm einen wichtigen Beitrag für die Planungssicherheit für die Menschen und Unternehmen im Sektor zu leisten. Dadurch sollen Investitionen in Ausbildung, Personal und natürlich eine ordentliche Planung sichergestellt werden. Nun gilt es, sowohl die Ausbaupfade als auch die notwendigen Förderkosten möglichst so zu gestalten, dass sie für alle Beteiligten sinnvoll sind. Bei manchen Technologien, wie zum Beispiel der Photovoltaik, kann man auktionieren. In anderen Bereichen wie der Wasserkraft geht es um andere Methoden, dem soll klarerweise eine naturverträgliche Gestaltung vorausgehen.

 

KÖ: Das Ziel von zusätzlichen 27 TWh Ökostrom bis 2030, davon 5 TWh Wasserkraftstrom, erfordert große Anstrengungen. Leider finden sich Kleinwasserkraftprojekte oft großen Widerständen gegenüber. Oft brächte ihre Realisierung für die Gewässer aber eine Verbesserung – etwa, wenn sie an bestehenden bisher nicht energetisch genutzten Querbauwerken errichtet werden, welche im Zuge dessen dann für Fische und Gewässerorganismen durchgängig gemacht werden. Leider tragen Wasserkraftgegner zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung und Stigmatisierung der Kleinwasserkraft bei. Unsere Erfahrung zeigt, dass das leider auch zu Zögerlichkeit und Verzögerungen in Verfahren führt. Welche Möglichkeiten bzw. Erfordernisse sehen sie, den Weg für die Realisierung des ökologisch verträglichen bzw. sogar zuträglichen Wasserkraftpotentials frei zu machen?

 

LG: Wie PlanerInnen Projekte planen und BürgerInnen zu Projekten stehen, das gehört gemeinsam besprochen. In diesem Sinne werden wir von unserer Seite die Rahmenbedingungen auf Bundesebene so gestalten, dass sie für den Ausbau der Wasserkraft Sinn machen. Naturverträglichkeit ist hier ein wichtiger Aspekt – dafür werden wir auf Bundesebene eintreten und auch mit anderen Ressorts zusammenarbeiten, wenn es etwa um Gewässerschutz und Renaturierung geht.

 

KÖ: Laut Regierungsprogramm soll der Ausbau von Ökostromanlagen unter Beachtung strenger Kriterien in Bezug auf Ökologie und Naturverträglichkeit erfolgen. Im Bereich der Wasserkraft haben wir diesbezüglich insbesondere seit Implementierung der EU Wasserrahmenrichtlinie ins Österreichische Wasserrechtsgesetz und den dazugehörenden Verordnungen und Leitfäden bereits einiges an Vorgaben. Ein Verschlechterungsverbot für die Gewässer und eine Verbesserungsgebot mit der Zielrichtung „guter Zustand“ der Gewässer ist rechtlich fest verankert. Für bestehende Wasserkraftanlagen und für neue Anlagen ist das bereits ein sehr enges Korsett. Wird im Hinblick darauf mit Augenmaß zu rechnen sein? Die Ankündigung im Regierungsprogramm gepaart mit polemisierenden Forderungen von Wasserkraftgegnern schürt für die Branche nämlich durchaus Befürchtungen.

 

LG: Lösungen werden wir nur im Dialog finden. Dazu gehört auch, sich mit den Anliegen des jeweiligen Gegenübers ernsthaft auseinander zu setzen. Wir haben in Österreich bereits einen sehr hohen Ausbaugrad an Wasserkraft, daher müssen wir sorgsam entwickeln. Wir brauchen für diese Diskussion objektive Grundlagen – und für die Einhaltung derselben werden wir uns einsetzen. Es gibt ein Ziel und es gibt Zielbedingungen, beides nehmen wir ernst.

 

KÖ: Wie stehen Sie dem Vorschlag von Kleinwasserkraft Österreich gegenüber, Tarifförderung (oder in Zukunft Marktprämien) auch für ökologische Revitalisierungen - ohne damit einhergehende Leistungssteigerung - zu gewähren, oder die Grenzen für die erforderliche Produktionssteigerungen deutlich zu senken? Im Zuge der erforderlichen Anpassungen aufgrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie würde das Bestandsanlagen absichern und andererseits einen Anreiz für zusätzliche, sowie raschere ökologische Adaptierungen schaffen?

 

LG: Ich befürworte Marktprämien. Wie diese konkret und gut ausgestaltet werden, ist für uns ein wichtiges Thema. Jede Technologie braucht dafür ihre eigenen Instrumente, um zum Ziel zu kommen. Wir freuen uns auf anregende Gespräche und innovative Ideen, die aus der Mitte der ExpertInnen kommen.            

 

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Seit 7. Jänner 2020 ist Leonore Gewessler Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Nach der Matura in Graz und dem Studium der Politikwissenschaften in Wien war Leonore Gewessler ab 2006 als Büroleiterin im Büro des Bezirksvorstehers des 7. Wiener Gemeindebezirks tätig. Im Jahr 2008 wechselte sie zur Green European Foundation nach Brüssel und übernahm dort die Leitung der europaweit tätigen NGO. Ab 2014 arbeitete Leonore Gewessler als politische Geschäftsführerin von Global 2000 – Friends of the Earth Austria wieder in Österreich. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit war sie unter anderem Mitglied im Vorstand der Friends of the Earth Europe.