Der schwimmende Professor

Dr. Andreas Fath

 

Dr. Andreas Fath analysiert Mikroplastik und Chemikalien in Europas Flüssen, und will für das Thema sensibilisieren.

Sehr geehrter Dr. Fath, Sie haben sich beruflich als Chemiker und privat als Schwimmer ganz dem Thema Wasser verschrieben. Wie kam es zu dieser Leidenschaft?

Wasser verhält sich im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten nicht normal und auch die Tatsache, dass auf der Erde H2O in flüssiger Form vorkommt, ist im Universum eine Ausnahme, was Leben - wie wir es kennen - erst möglich macht. Wasser bindet Kohlendioxid. Ohne Wasser hätten wir eine Atmosphäre mit über 90% Kohlendioxid, wie auf dem Mars, und es gäbe die Dolomiten nicht. Im Wasser kann man sich fast schwerelos im Dreidimensionalen Raum bewegen, das ist wie fliegen im Zeitraffer. Es gibt so viele auch noch unentdeckte Dinge über das Wasser zu erzählen und zu ergründen, das ist faszinierend und nährt meine Leidenschaft für diese Verbindung. Wasser ist die kostbarste Leihgabe der Natur und so sollten wir sie auch behandeln. Mein Lektor für das Buch „Rheines Wasser“ gab mir zu Beginn des Schreibens die Aufgabe: „Schreib doch einfach mal ein Intro „Ich und das Wasser“. Da kommt einiges zusammen, wenn man sich einmal intensiv Gedanken über das Wechselspiel Wasser und Mensch macht.

 

Sie sind den Rhein von der Quelle bis zur Mündung durchschwommen, nun kommt die Donau an die Reihe. Warum machen Sie sich die Mühe? Gäbe es nicht einfachere Wege zur Probenahme?

Natürlich gibt es einfachere Möglichkeiten. Ich könnte auch mit dem Auto fahren und von Brücken eine Probeflache ins Wasser lassen oder den Passivsampler statt an meinem Bein an einem Brückenpfeiler befestigen, aber wäre das spektakulär oder aufsehenerregend? Es geht um nichts weniger als den Gewässerschutz. Also um unsere Lebensgrundlage. Die Gewässerqualität wird von jedem einzelnen beeinflusst, sobald jemand seinen Zigarettenstummel in einen Gulli wirft, Medikamente in der Toilette herunterspült oder eine Plastikflasche am Flussufer liegen lässt. Um den Menschen das zu erklären, muss man sie erreichen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung wird hauptsächlich von Wissenschaftler*innen gelesen - wenn ein „verrückter“ Professor aus Gewässerschutzgründen die gesamte Donau in Angriff nimmt, wird man neugierig. Diese Neugier kann man dann so wie beim „Rheines Wasser“-Projekt innerhalb von etwa 300 Vorträgen nutzen, den Menschen die Problematik und Ihren Einfluss auf die Umwelt klarzumachen. Die Vorträge laufen immer nach dem gleichen Prinzip ab. Ich nehme zuerst die Zuhörer auf die Abenteuerreise mit, dann präsentiere ich die Ergebnisse und dann entsteht eine lebhafte Diskussion. Als Zuhörer nimmt man hoffentlich mit, dass wenn jemand so viel Energie für sauberes Wasser investiert, dann kann ich sicher auch einen kleinen Beitrag leisten und in der Summe wird dieser Beitrag sichtbar und messbar. Denn für sauberes Wasser ist keine Anstrengung zu groß. Das ist der Leitgedanke, den ich transportiere durch die Kombination „Sport meets Science“.

 

Es geht also nicht nur darum, das Wasser zu analysieren, sondern gleichzeitig auch für das Thema ZU sensibilisieren. Was ist für Sie bei diesem Projekt wichtiger, die Wissenschaft oder die Öffentlichkeitsarbeit?

Die Wissenschaft und Wasseranalytik ist meine Profession, um den Status quo und die Entwicklungen zu erkennen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig, um aufzuklären, zu verändern und aktives Handeln zu provozieren und das Schwimmen ist meine Passion. Dieser Dreiklang steckt in dem Projekt und macht es einzigartig.

 

Wie viel „Dreck“ ist eigentlich in den Gewässern? Müssen wir uns Sorgen machen? Oder anders gefragt: Müssen Sie sich immer gleich duschen, wenn Sie aus dem Wasser steigen?

Ein klares „Ja“, wir müssen uns um unsere Gewässer Sorgen machen. Nitrate im Grundwasser, Chemikaliencocktails in Flüssen, der zu einem Biodiversitätsverlust von 70% seit den 70er Jahren geführt hat, 4 Mio. Plastikpartikel pro Tag fließen in der Donau Richtung Schwarzes Meer. Nach aktuellem Bericht vom AWI (Alfred Wegener Institut) landen 23 Mio. Tonnen Plastikmüll pro Jahr in unseren Weltmeeren. Die sogenannten Spurenstoffe (Pestizide, Antibiotika, Röntgenkontrastmittel, Korrosionsschutzmittel, Süßstoffe, Schmerzmittel, Antiepileptika, Blutdrucksenker, Hormone etc.) im Gewässer nehmen zu und in Kombination mit Mikroplastik werden Sie auch gefährlich für uns.

 

Natürlich werde ich mich immer nach einer Etappe in der Donau duschen. Der Neoprenanzug schützt zwar meine Haut und auch werde ich wenig Wasser schlucken, aber da die Donau im April noch sehr kalt ist, wird mir als „Warmduscher“ die heiße Dusche ein ersehntes Tagesziel sein.

 

Können Sie uns etwas mehr zu Ihrer Forschung sagen? Warum ist das Mikroplastik in unserem Gewässer ein solches Problem?

Einerseits enthält Mikroplastik für Mensch und Tier schädliche Additive (Zusatzstoffe) wie zum Beispiel Weichmacher, UV-Stabilisatoren, Flammschutzmittel, Entformungshilfsmittel, Restmonomere etc. und auf der anderen Seite wirken Mikroplastikpartikel wie ein „Magnet“ auf die im Wasser verdünnt vorhandenen Spurenstoffe. Durch diesen „Magneteffekt z.B. auf Hormone kann die Konzentration der Hormone auf dem Mikroplastikpartikel mehrere Zehnerpotenzen höher sein als in seiner wässrigen Umgebung. Das Problem dabei ist, dass diese „beladenen“ Partikel von einigen aquatischen Lebewesen als Nahrungsquelle betrachtet werden. Im Verdauungstrakt können sich dann quasi die mitreisenden Toxine ablösen und verbleiben beispielsweise im Gewebe von Fischen. In Anbetracht der Tatsache, dass 75% der Weltbevölkerung ihren Proteinbedarf aus den Weltmeeren deckt, sehe ich diese Nahrungsquelle in Gefahr.

 

Dieses Problem müssen wir jetzt anpacken, sonst kommen wir auch dort zu spät - wie bei der Klimaerwärmung und deren Folgen. Was die Forschung betrifft, so bietet der beschriebene Anlagerungseffekt auch Chancen. In dem neu gegründeten Startup Unternehmen PolymerActive, welches aus unseren Forschungsarbeiten heraus entstand, werden Kunststoffabfälle zu Filtermaterialien umgearbeitet, um Gewässer und Luft mittels dieses „Magneteffekts“ zu reinigen. Dadurch wird Kunststoffabfall sogar upgecycelt und erhält einen weiteren eventuell sogar mehrfachen Lebensweg als regeneratives Filtermaterial als Aktivkohleersatz. Welche Materialien sich für welche Spurenstoffe am besten eignen und wie man die Anzahl an „Parkplätzen“ auf dem Adsorbermaterial erhöhen kann, sind Inhalte aktueller Forschungsarbeiten.

 

Bis 2027 sollen alle Fließgewässer in der EU einen „guten Zustand“ oder zumindest ein „gutes Potenzial“ aufweisen. Wird sich das „chemisch“ ausgehen? Derzeit scheint es eher, dass man immer mehr schädliche Stoffe entdeckt, die bislang nicht im Fokus standen.

Meine Haupttätigkeit ist nicht das „durch Flüsse schwimmen“ und auch nicht permanent den erhobenen Zeigefinder zu heben, sondern als praxisorientierter Wissenschaftler mitzuhelfen genau diese Ziele zu erreichen. Einerseits durch interaktive Bildung und Aufklärung und anderseits durch angewandte Forschung. Zu diesem Zweck haben wir auch eine gemeinnützige Organisation gegründet (www. H2Org.de). Mit einer Unterstützung von Firmen, Kommunen und Privatpersonen sind wir in der Lage unsere gesteckten Ziele und die auf der Website beschriebenen Projekte umzusetzen und damit einen wichtigen Beitrag zum Gewässerschutz zu leisten. Ein wichtiges Ziel dabei, um den Chemikalienmix zu verringern ist die „Start of the pipe“ Abwasserbehandlung. Eine zentrale Behandlung unserer Abwässer in einer Kläranlage, also „end of the pipe“, auch wenn sie mit einer 4. Behandlungsstufe arbeitet, ist weniger effektiv und teurer als das Abwasser direkt dort zu behandeln, wo es entsteht wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder Pflegheimen. An der Entwicklung solcher „Plug In“-Technologien arbeiten wir. Mit Hilfe von Solarstrom lassen sich zum Beispiel einige schädliche Stoffe im Abwasser mineralisieren und als Nebenprodukt entsteht Wasserstoff, der Energieträger der Zukunft (zu sehen auf der Anthropogenausstellung in Stuttgart).

 

Welche Maßnahmen braucht es, um Abfall in den Gewässern und das Mikroplastik im Speziellen wegzubekommen?

Ich bin kein Kunststoffgegner, ganz im Gegenteil Kunststoffe sind sehr smarte Materialien, günstig und beständig mit einem enorm breiten Anwendungsspektrum. Einerseits stabil und fest bis weich und flexibel. In der Umwelt wird genau diese Beständigkeit zum Problem. Kunststoffe sind nur solange ein gutes Material, solange sie in ihrem Verwendungskreislauf bleiben. Das schafft man nur mit einem 100%-Recycling und das wiederum ist nur zu erreichen, wenn in Produkten nur sortenreines Material eingesetzt wird. Bei der PET-Flasche, die nur aus PET besteht, gibt es bereits ein 100%-Recycling und das Kunststoffflaschenpfand sorgt auch für einen Rücklauf.

 

Einweg Kunststoffprodukte nicht mehr produzieren, sortenreine Kunststoffprodukte, bessere Trennung des Kunststoffabfalls, keine Kunststoffe in die Biotonne, auf Kunststoffverpackungen verzichten oder wiederverwenden und am Ende recyceln. Mikroplastikquellen eliminieren zum Beispiel durch Waschmaschinenfilter oder Wäschesack in der Waschmaschine. Ganz lässt sich Mikroplastik jedoch nicht vermeiden sonst dürften wir weder Autofahren noch mit dem Fahrrad noch in kunststoffbesohlten Schuhen laufen. Aber den Kunststoffabfall in der Natur der durch Verwitterung zu Mikroplastik wird den können wir auf jeden Fall durch Achtsamkeit vermeiden.