"Littering" - Abfall im Rechen

Umfrage- und Rechercheergebnisse

Kleinwasserkraftwerke können durch die Entfernung von Siedlungsabfällen einen wesentlichen Beitrag zur Reinhaltung von Gewässern leisten. Die Umfrage- und Rechercheergebnisse zum Thema Rechengut von Christian Weiss liefern einen ersten Einblick in die Thematik.

Obwohl die Kraftwerksbetreiber nicht Verursacher dieser Umweltverschmutzung sind, müssen sie dennoch in vielen Fällen für die Kosten der Entsorgung aufkommen. In der Praxis haben sich dabei unterschiedliche Methoden für die Rechengutbehandlung etabliert. Um einen Überblick zu erhalten, wurde Ende vergangenen Jahres erstmals eine Umfrage speziell zu diesem Thema durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen auf, welche Herausforderungen auftreten, aber auch welche Lösungsansätze vorzufinden sind.

 

Flüsse transportieren neben Geschiebe auch große Mengen an Treibgut. Laub, Äste, Baumstämme aber auch Siedlungsabfälle sammeln sich in den Rechenanlagen der Wasserkraftwerke und müssen regelmäßig entfernt werden. Je nach Standort und Jahreszeit schwanken Menge und Zusammensetzung des anfallenden Rechenguts enorm. Besonders in Siedlungsnähe ist der Eintrag von Zivilisationsmüll (auf Grund von „Littering“) in die Gewässer hoch, ebenso die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Natur und Mensch.

 

Für Wasserkraftbetreiber kann der zusätzliche Abfall vor allem einen erheblichen Aufwand (Sortierung, Kosten für Rest- und Sondermüll, etc.) bei der Entsorgung des Rechenguts bedeuten. Genauso uneinheitlich wie das Abfallaufkommen stellt sich auch die rechtliche Situation im Umgang mit diesem dar. Neben Unterschieden in den jeweiligen Landesgesetzen scheint es auch vonseiten der Sachverständigen verschiedene Sichtweisen zum Umgang mit Rechengut zu geben.

Rechtslage

Gemäß § 2 Abs 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff) oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Das Abfallwirtschaftsgesetz verpflichtet Abfallbesitzer zur fachgerechten Entsorgung dieser Abfälle. Als Qualifikation zum Abfallbesitzer im Sinne des AWG 2002 gilt die faktische Innehabung, nicht aber der Besitzwille von Abfällen.

 

Auf Rechengut umgelegt kann argumentiert werden, dass dessen Entnahme aus dem Gewässer zur faktischen Innehabung führt und die Entledigungsabsicht somit sofort wirksam wird. Die Entsorgung der im Rechengut befindlichen Siedlungsabfälle kann dagegen dem öffentlichen Interesse zugeordnet werden, was im Grunde auch der Reinhaltungspflicht des Wasserrechts entspricht. Genau in dieser differenzierten Zuweisung der Abfalleigenschaften – subjektiv oder objektiv – ergeben sich zwei grundsätzliche Fragestellungen:

 

1) Im objektiven Sinn: Wann und warum ist der Kraftwerksbetreiber entgegen dem Verursacherprinzip zur Entsorgung von Siedlungsabfällen im Treibgut auf eigene Kosten verpflichtet, obwohl die Allgemeinheit als Verursacher festzumachen ist?

2) Im subjektiven Sinn: Aus ökologischer Sicht ist zu hinterfragen, ob die Entfernung des natürlichen Treibguts nicht ein Defizit für das Gewässer darstellt und die Festlegung als Abfall überzogen ist.

 

Beide Fragen können nur in einer gesamthaften Betrachtung beantwortet werden: Treibgut ist Grundlage von Nährstoffeinträgen, schafft Struktur im Gewässer und bildet Habitate für Kleintiere aus. Fehlende Biomasse und Totholzablagerungen wirken sich nachteilig auf die Nahrungskette der Wassertiere und auf das Ökosystem aus. Zusätzlich stellt die Entsorgung des Treibguts aufgrund von Transport, Verbrennung und Deponierung eine nicht zu vernachlässigende Umweltbelastung dar. Die ökonomischen Kosten in Form von Entsorgungskosten und personellem Aufwand hat der Kraftwerksbetreiber zu seinem Nachteil selbst zu tragen. Im Sinne einer Gesamtbilanz sollte daher beurteilt werden, ob und beziehungsweise in welchen Fällen, die Entsorgung des Rechenguts die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen rechtfertigt und in welchem Ausmaß Kraftwerksbetreiber für die Entsorgung von Siedlungsabfällen belastet werden können.

 

Klarheit schaffen

Grundlage einer solchen Gesamtbilanz stellt vor allem das Wissen über den Anteil der Siedlungsabfälle im Rechengut dar. Leider gibt es hierfür aktuell noch kaum geeignetes Datenmaterial. Sortieranalysen sind zeit- und personalaufwändig und dadurch teuer. Dazu kommt, dass für eine verwertbare Datenlage Untersuchungen über längere Zeiträume notwendig sind.

 

Für viele Betreiber spielt das Thema Rechengut nur eine untergeordnete Rolle, etwa weil das Kraftwerk abgeschieden liegt und keine Siedlungsabfälle anfallen, und wird daher gerne vernachlässigt. Aus oben genannten Gründen macht es dennoch Sinn, sich mit dem Rechengut näher auseinander zu setzen. Die zu Weihnachten des vergangenen Jahres durchgeführte Umfrage bei unseren Mitgliedern soll ein erster Ansatz dafür sein.

 

Umfrageerkenntnisse

Beinahe 100 Personen haben an dieser freiwilligen Umfrage teilgenommen, wobei an die 70 Teilnehmer diese auch vollständig ausgefüllt haben. Viele Anlagenbetreiber berichten von ähnlichen Herausforderungen, aber auch von Unterschieden im praktischen Umgang mit Rechengut.

 

Mengen

Laubfallbedingt treten die größten Abfallmengen überwiegend im Herbst auf. Monatsmengen unter dem Jahr können im Herbst auch schon in einer Woche zusammenkommen. Größere Rechengutmengen werden aber auch im Frühjahr und Sommer vermeldet. Der Winter ist jedenfalls für alle Umfrageteilnehmer die ruhigere Jahreszeit was Treibgut angeht.

 

Die höchsten Mengen an Siedlungsabfällen treten eindeutig in den Sommermonaten auf. Zurückführen lässt sich dies auf vermehrte Freizeitaktivitäten, besonders auch an Flüssen, sowie auf land-, forst- und bauwirtschaftliche Tätigkeiten. Erwähnung fand auch der Biber. Der sich immer stärker ausbreitende Nager sorgt in manchen Regionen für eine spürbare Zunahme der Treibgutmengen. Anhand von Biss- und Schälspuren lassen sich diese auf den Biber zurückführen.

 

Fraktionen

Was die Zusammensetzung betrifft, so zeigt sich laut Umfrage, dass Kunststoffe eindeutig die größte Fraktion innerhalb der Siedlungsabfälle bilden, gefolgt von Metallverpackungen. Textilien, Glas und Papier spielen nur eine untergeordnete Rolle in der Abfallzusammensetzung. Sondermüll, wie Ölfässer oder Batterien, kommen selten bis gar nicht vor.

 

Das gleiche gilt für Tierkadaver, wobei Umfrageteilnehmer darauf aufmerksam machen, dass vor allem in der Jagdsaison vermehrt tote Tiere aufzufinden sind.

 

Aus hygienischen Gründen sollten Kadaver ebenso rasch wie Sondermüll beseitigt werden. Ein größeres Ärgernis stellt für viele Betreiber Gartenabfälle, insbesondere Gras- und Strauchschnitt dar. Diese werden unerlaubterweise oder durch unsachgemäße Lagerung ins Gewässer eingetragen.

 

Als größte Abfallfraktion ist der biogene Anteil in Form von natürlichem Treibgut wie Laub und Holz klar zu benennen. Anlagen in abgelegenen ländlichen Regionen weisen zum Teil auch überhaupt keine Siedlungsabfälle auf. Im Gegensatz dazu beklagen Kraftwerksbetreiber in städtisch geprägten Regionen, dass bis zu einem Viertel und mehr der Gesamtmenge anthropogenen Ursprungs sein kann.

 

Auflagen

Rund ein Drittel der Teilnehmer hat angegeben, Rechengut aus dem Gewässer zu entnehmen. Wenige, gut ein Fünftel, gaben an, konkrete wasserrechtliche Auflagen in Bezug auf Rechengut zu haben. Laut Kommentaren sind diese auch sehr unterschiedlich ausformuliert.

 

Von der bedarfsmäßigen Entsorgung von Zivilisationsmüll, über die pflichtmäßige Weitergabe des biogenen Abfalls, über die Festlegung ausreichender Menge an Spülwasser, sind hier viele unterschiedliche Vorgaben vorzufinden. Auch vollständige Entnahmen samt Entsorgung sind bei manchen Teilnehmern bescheidmäßig vorgegeben.

 

Verwertung

Was die Verwertung von Rechengut anbelangt, so zeigt sich, dass vor allem Holz in guter Brennqualität von manchen Betreibern getrocknet und zu Hackschnitzel weiterverarbeitet wird. Sie führen das Schwemmholz also einer thermischen Verwertung zu. Bei landwirtschaftlichen Betrieben wird das Rechengut auch gerne für eine Kompostierung genutzt. Notwendig ist dabei jedenfalls die Aussortierung von Grob- und Fremdstoffen.

 

Kosten

Zusammenhänge zwischen Treibgutmenge, Kraftwerksgröße und den anfallenden Kosten konnten anhand dieser Umfrage leider keine festgestellt werden. Zu vage waren die Angaben und zu groß die Streuungen. Untersuchungen aus Deutschland geben aber an, dass bis zu einer Rechengutmenge von ca. 400 t pro Jahr die Kosten relativ gering ausfallen, da in der Regel eine Vor-Ort- Behandlung (Zerkleinern, Kompostieren, etc.) möglich ist. Insbesondere bei größeren Anlagen mit hohen Rechengutanfall steigen die Kosten hingegen stark an, da dort zum einen große Einzelstücke (Baumstämme, Wurzelstöcke etc.) anfallen und zum anderen die Behandlung mit Verbringung entsprechend aufwendiger ist.

 

Rechengutanalyse

Dem Thema Rechengut wird sich Kleinwasserkraft Österreich in diesem Jahr noch intensiver widmen. Die Erkenntnisse aus laufenden Studien werden ein noch klareres Bild über das Abfallaufkommen im Rechengut bringen.

 

 

INFORMATION

 

Als „Littering“ wird das achtlose Wegwerfen bzw. der ungewollte Eintrag von Abfall in die Umwelt und die Verschmutzung von Flächen bezeichnet. Das Wort stammt aus dem Englischen und lässt sich mit dem deutschen Wort „Vermüllung“ übersetzen. Je nach Art des Abfalls treten neben ästhetische auch hygienische und ökologische Beeinträchtigungen auf, die in weiterer Folge auch gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen haben können.

KOMMENTAR KLEINWASSERKRAFT ÖSTERREICH

 

Die Einbringung von Plastik (Kunststoffen) in den Wasserkreislauf stellt neben dem Klimawandel eine der größten Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert dar. Größere Abfälle können von Tieren (insbesondere Fischen) gefressen werden, jedoch nicht verdaut werden, was langfristig deren Tod zur Folge hat. Aber auch die kleinsten Plastikfraktionen sind noch schädlich, da diese hormonell aktive Substanzen freisetzen können. Mittlerweile wurde auch schon nachgewiesen, dass sich dieses Mikroplastik über Regenwasser auch bis in die entlegensten Erdteile verbreitet.

 

Die Kleinwasserkraft ist einerseits von den Auswirkungen des „Littering“ betroffen, kann aber andererseits auch Teil der Lösung des Problems sein. Hierfür benötigt es jedoch eine klare Strategie und vor allem eine ausreichende finanzielle Unterstützung für jene BetreiberInnen, die Plastik und andere anthropogene Abfälle aus dem Gewässer entfernen.