Kleinwasserkraft Österreich fragt nach:

im Gespräch mit Oberösterreichs Politik

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) liegt endlich vor, was heißt das aus Ihrer Sicht für Oberösterreich?

 

LH Thomas Stelzer (ÖVP): Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz setzt den neuen österreichweiten Rahmen für den Ökostromausbau und unterstützt unsere Aktivitäten in Oberösterreich im Bereich Stromerzeugungsanlagen mit Erneuerbaren Energieträgern.

 

LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Die gesteckten Ziele und Maßnahmen im EAG erscheinen aus heutiger Sicht bis 2030 schwer erreichbar bzw. zu ambitioniert zu sein.

 

Im EAG ist eine Steigerung der Wasserkraft um fünf TWh bis 2030 gefordert. In Österreich werden derzeit etwa 44 TWh Strom aus Wasserkraft erzeugt. Zusätzliche fünf TWh bedeuten also einen Ausbau um mehr als zehn Prozent. Die Ausbaupläne von Ministerin Gewessler bedeuten entweder eine Verdoppelung der Kleinwasserkraftwerke oder den Bau von zwei großen Donaukraftwerken. Mit einer Effizienzsteigerung der bestehenden Wasserkraftwerke sind diese Ziele wohl kaum bzw. nicht realistisch. Auch bei der Windkraft ist eine Steigerung von zehn TWh gefordert. Will man diese Ziele erreichen, müsste alle vier Tage ein neues Windrad in Österreich in Betrieb gehen.

 

LR Birgit Gerstorfer (SPÖ): Für Oberösterreich, wie für alle anderen Bundesländer, heißt das, dass nun endlich eine solide Grundlage vorliegt, um das Ziel 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030 zu erreichen. Besonders freut mich, dass die SPÖ in den Gesetzesverhandlungen eine deutliche soziale Ausgestaltung der Fördermittelaufbringung erreichen konnte.

 

LR Stefan Kaineder (Grüne):

Das ist ein Meilenstein für die Energiewende in Österreich und eine Chance für massive Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien, mit der in OÖ rund 16.700 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden können. Das EAG stellt ein gutes Fördersystem zur Verfügung und schafft mittels den Energiegemeinschaften die rechtliche Möglichkeit, dass sich künftig alle Menschen an der Energiewende beteiligen können.

 

Felix Eypeltauer (Neos): Das EAG ist ein wichtiger Schritt - allerdings handelt es sich nur um ein einzelnes Puzzlestück einer großen, gesamtheitlichen Strategie im Energiebereich. Diese gesamtheitliche Strategie im Energiebereich ist uns die Regierung nach wie vor schuldig. Es gibt noch viel zu tun und viele Fragen - wie beispielsweise wofür wir Erneuerbares Gas verwenden wollen, woher der Erneuerbare Strom kommen soll und wie viel wir davon brauchen - sind nach wie vor offen. Ohne rasche Antworten steht die Energiewende weiterhin auf sehr wackligen Beinen. Auch in Oberösterreich sehen wir, dass die gesamte Branche mit wuchernder Bürokratie und einem eklatanten Fachkräftemangel kämpft. Jetzt, da man sich auf ein EAG geeinigt hat, müssen wir auch diese Baustellen entschlossen angehen. Wichtig ist es aber vor allem auch, eine praxistaugliche Energieraum - planung auf Landesebene zu schaffen, welche das Erreichen der Ausbauziele ermöglicht

 

Welche Maßnahmen sind im Bereich der erneuerbaren Energien in Oberösterreich zu setzten, um das Ziel von 100 Prozent erneurbarem Strom bis 2030 zu erreichen?

 

LH Thomas Stelzer: Unter anderem wollen wir, neben Effizienzmaßnahmen, mit unserer neuen Photovoltaikstrategie den Solarstrom in Oberösterreich verzehnfachen. Das Ziel bis 2030 sind PV-Anlagen auf 200.000 Dächern in unserem Bundesland. Dazu haben wir z.B. ein Förderprogramm zur Ertüchtigung der Dachstatik bei bestehenden Gebäuden gestartet und auch die OÖ-Initiative für Erneuerbare Energiegemeinschaften mit einer eigenen Landesförderung, an denen sich auch Kleinwasserkraftwerke beteiligen können, ins Leben gerufen. Oberösterreich ist bereits bei fast allen Erneuerbaren Energieträgern Spitzenreiter. Wir nutzen jeweils die meiste Energie aus Biomasse, Wasserkraft und Sonnenkraft.

 

LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner: Österreichweit wird bereits jetzt über 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Es ist natürlich erstrebenswert, dass dieser Anteil durch Effizienzsteigerungen und einen Ausbau weiter erhöht wird. Dafür setzen wir uns als FPÖ auch ein. Eine Steigerung um jeden Preis wird es aber mit mir nicht geben. Zum einen müssen die Effizienz und Sinnhaftigkeit der einzelnen Energieträger berücksichtig werden, zum anderen darf es auch nicht zu einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung unserer Bevölkerung kommen. Auch die Interessen des Naturschutzes sind in diese Abwägungen einzubeziehen. Ein überstürzter Ausstieg aus anderen Energiequellen, wie z.B. aus Gas, ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern wird nach Einschätzung zahlreicher Expert*innen zu Problemen mit der Versorgungssicherheit führen. Ein sogenanntes „Blackout-Szenario“ wird so immer wahrscheinlicher. Hier sind Hausverstand und Weitsicht gefragt.

 

LR Birgit Gerstorfer: Damit das ambitionierte Ziel auch erreicht werden kann, müssen die Kraftwerksprojekte sowie der notwendige Netzausbau auch umgesetzt werden können. Dafür braucht es eine zügige Notifizierung des Paketes durch die EU, eine rechtzeitige und umfassende Einbindung der Bevölkerung und einen sorgsamen Umgang mit der Natur. In beiden Fällen muss die Politik für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Gleichzeitig muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die Energieverschwendung endlich beendet und Energie effizienter genutzt wird.

 

LR Stefan Kaineder: Im EAG ist erstmals das Ziel der Erreichung der Klimaneutralität Österreichs bis 2040 in einem Gesetz verankert. OÖ muss nun die bisherige Landes-Energiestrategie an die neuen Bundesvorgaben anpassen und zu einer ambitionierten, integrierten Klima- und Energiestrategie weiterentwickeln. Denn die bisher von ÖVP und FPÖ beschlossene Landes-Energiestrategie hat nur zum Ziel, den Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch bis 2030 auf 80 bis 97 Prozent zu steigern.

 

Felix Eypeltauer: Oberösterreich hat im Bereich der Erneuerbaren Energie viel aufzuholen, um das Ziel von 100 Prozent Erneuerbarem Strom bis 2030 zu erreichen. Als Wirtschaftsstandort hat Oberösterreich einen steigenden Energiebedarf, doch nach wie vor stammen 21 Prozent der Stromaufbringung aus fossilen Energieträgern. Neben dem Ausbau von einem Mix an Erneuerbaren Energien, sehen wir die Landesregierung in der Pflicht für eine landesweite Energieraumplanung sowie eine Gesamtstrategie für den Ausbau der Erneuerbaren im Sinne des Standorts, der Bevölkerung und der Umwelt zu sorgen. Großes Potenzial sehen wir in den Energiegemeinschaften, so können sich mehrere Unternehmen und/oder Haushalte zusammenschließen und von einer eigenen Erneuerbaren Stromproduktion und einer Unabhängigkeit vom Strommarkt und Energieunternehmen profitieren sowie ihren Beitrag zur Energiewende leisten.

 

 

Auch die Kleinwasserkraft soll ausgebaut werden. Wo sehen Sie hier Potenziale und Herausforderungen? Welchen Zubau erwarten Sie (in MWh) in Oberösterreich?

 

LH Thomas Stelzer: Wir haben in Oberösterreich laut unserer Wasserkraftpotenzialanalyse ein energetisches Revitalisierungs- und Ausbaupotenzial von 488 GWh. Das wird zu mehr als der Hälfte durch Nutzung des Revitalisierungspotentials an umweltgerechten Standorten umzusetzen sein.

 

LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner: Wo es möglich ist, sollen Kleinwasserkraftwerke revitalisiert und effizienter gemacht werden. Allerdings muss ich als Naturschutzreferent des Landes OÖ auch zu bedenken geben, dass insbesondere Neubauten von Kleinwasserkraftwerken überwiegend nur noch in höchst sensiblen Flussabschnitten möglich wären und aus naturschutzrechtlicher Sicht wohl kaum genehmigungsfähig sind.

 

LR Birgit Gerstorfer: Oberösterreich ist das Wasserkraftland Nummer 1 und baut auf einem soliden Fundament auf. Das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz sieht vor, dass die jährliche Stromerzeugung aus Wasserkraft bis 2030 um 5 TWh steigt. Da Oberösterreich speziell bei der Windenergie über wenige ertragreiche Standorte verfügt, werden wir im Bereich der Wasserkraft einen wesentlichen Teil zum Ausbau beitragen müssen. Ich fordere vom zuständigen Landesrat Achleitner daher einen Maßnahmenplan für Wasserkraft, der Teil des OÖ-Energie- und Klima-Maßnahmenplans sein soll. Bis dato fehlt der Teil Wasserkraft gänzlich.

 

LR Stefan Kaineder: OÖ hat sein Wasserkraftpotenzial schon weitestgehend ausgeschöpft. Gerade bei der Kleinwasserkraft und der Nutzung bestehenden Querbauwerke, wie auch bei Revitalisierungen ist noch ein Potenzial vorhanden, welches es zu nutzen gilt. Deshalb ist es aus unserer Sicht besonders positiv, dass im Bereich der Wasserkraft ein Förderfokus auf die Revitalisierung bestehender Anlagen sowie Schutzkriterien für ökologisch sehr gute Flussstrecken aufgenommen wurden. Es ist anzustreben, bis 2030 das umweltverträglich nutzbare Potenzial gemäß OÖ-Wasserkraftpotenzialanalyse von 488 GWh bestmöglich zu heben.

 

Felix Eypeltauer: Kleinwasserkraft hat durchaus eine wichtige Rolle beim Energiemix der Zukunft. Es ist uns allerdings wichtig, dass der Fokus vor allem bei der Effizienzsteigerung bestehender Anlagen liegt und jeder Ausbau absolut naturverträglich und entsprechend des Verschlechterungsverbots der EU-Wasserrahmenrichtline geschieht. So ist es nicht sinnvoll für ein paar zusätzliche Anlagen, die letzten unberührten Flusslandschaften Oberösterreichs zu beeinträchtigen. Der Ausbau der Kleinwasserkraft soll gemäß den technisch realisierbaren Erzeugungspotenzialen bzw. Restpotenzialen für Wasserkraft in Oberösterreich geschehen. Darüber hinaus fordern wir auch eine grundlegende Reform der Raumplanung, inklusive überregionaler Energieraumplanung und grüner Infrastrukturen, um Konflikte zwischen Erneuerbaren und Naturschutz reduzieren zu können.

 

 

Soll es weiterhin zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen durch das Land OÖ geben und wenn ja, welche?

 

LH Thomas Stelzer: Das Land Oberösterreich hat bereits vor einigen Jahren als erstes Bundesland durch eine gezielte Kleinwasserkraft-Beratungsaktion und durch Landesinvestitionsförderungen die Stromerzeugung mittels Kleinwasserkraftwerke forciert. Über 270 davon wurden im Rahmen dieser Programme bereits modernisiert und die Stromerzeugung dieser Anlagen im Durchschnitt um beachtliche 40 Prozent gesteigert. Diese Unterstützungen wird es auch weiterhin geben.

 

LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner: Kleinwasserkraftwerke stellen in Oberösterreich einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung dar. Insbesondere der Effizienzsteigerung bestehender Kleinwasserkraftwerke ohne schwerwiegende Eingriffe in die Natur ist aus meiner Sicht der Vorrang einzuräumen, und es wären gezielte Förderungen durch das Land Oberösterreich sinnvoll.

 

LR Birgit Gerstorfer: Zusätzlich zu den bereits gesetzten Maßnahmen sollen Verfahren zur Genehmigung der Revitalisierung, des Ausbaus und der Förderungsgewährung optimal beschleunigt werden. Die Zeit drängt, dass mehr CO2-neutraler Strom auch aus Wasserkraft zur Verfügung steht. Damit Gewässerökologie und Stromgewinnung aus Wasserkraft besser miteinander harmonieren, trete ich dafür ein, dass sich der gewässertypische Fischbestand mit Hilfe des geförderten Einbaus von Fischwanderhilfen und weitgehend geförderte Renaturierungsmaßnahmen der Fließstrecken und der Uferbereiche nachhaltig erhöht.

 

Felix Eypeltauer: Das Land OÖ fördert derzeit Investitionen zur Errichtung, Erweiterung oder Revitalisierung von Kleinwasserkraftanlagen bis 2 MW Engpassleistung. Uns NEOS ist es wichtig, dass der Fokus auf der Effizienzsteigerung bestehender Anlagen liegt. Die Zahlen zeigen, dass die Revitalisierung bestehender Anlagen deren Potenzial um ein Vielfaches steigern kann. Inwiefern gesonderte, vom bundesweiten System unabhängige, Förderschienen sinnvoll sind, ist zu prüfen. Deren Fokus sollte auf jeden Fall bei der bereits angesprochenen Effizienzsteigerung liegen.

 

Bildquelle Startseite: Jonas Müller, Kleinwasserkraft Österreich

 

Soll die energetische Nutzung bestehender, derzeit nicht durch die Wasserkraft genutzter, Querbauwerke forciert werden und falls ja, welche Maßnahmen sollen dafür gesetzt werden?

 

LH Thomas Stelzer: Ja, sofern dies rechtlich möglich ist. Genau dafür gibt es unsere Beratungsaktion und allfällige Investitionsförderungen.

 

LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner: Grundsätzlich kann ich dieser Idee einiges abgewinnen, könnte man dadurch doch gleichzeitig Vorteile für Ökologie sowie Ökonomie erzielen. Eine Studie des Energieinstitutes an der Johannes Kepler Universität Linz aus dem Jahr 2018 hat jedoch aufgezeigt, dass hierbei lediglich ein theoretisch technisch-nutzbares Restpotenzial von 12,2 GWh gehoben werden könnte, was 0,12 Prozent der oberösterreichischen Wasserkraftproduktion des Jahres 2016 ausmacht. Dieses Restpotenzial ist im Vergleich zu den 488 GWh ökologisch verträgliches Restpotenzial durch Wasserkraftausbau- und Steigerungspotenzial bei Neubau und Sanierung von Wasserkraftwerken von untergeordneter Relevanz. Bei ausgewählten Standorten mit ausreichenden Fallhöhen kann eine energetische und gewässerökologisch verträgliche Nutzung aber jedenfalls Sinn ergeben.

 

LR Birgit Gerstorfer: Das lässt sich seriöser Weise nicht pauschal beantworten, weil die jeweiligen ökologischen Bedingungen sehr unterschiedlich sein können und womöglich auch Rückbauten bestehender Querbauwerke und Renaturierungen sinnvoll sein können. Bevor aber völlig unberührte Gewässerstrecken genutzt werden, lohnt es bestimmt – neben den Leistungssteigerungen bei den Bestandskraftwerken – sich die bereits verbauten Gewässerstrecken näher anzusehen.

 

LR Stefan Kaineder: Dort, wo durch die energetische Nutzung von bestehenden Querbauwerken sowohl Erneuerbarer Strom erzeugt werden kann, wie auch die Durchgängigkeit gewährleistet wird, sind ökologisch verträglich Projekte im Sinne der Energiewende sehr gut vorstellbar

 

Felix Eypeltauer: Dies ist im Prinzip denkbar, müsste allerdings fallweise geprüft werden und selbstverständlich den Vorgaben der EU WRRL entsprechen. Langfristiges Ziel im Sinne des Natur- und Hochwasserschutzes sollte eine möglichst große Renaturierung von Flusslandschaften sein.