Ist das schon Klima oder immer noch Wetter?

Wie Zuordnungsforschung den Anteil des Klimawandels am Wetter bestimmt

Extremwetterereignisse wie Starkniederschlag bzw. Gewitter, Dürre, Hitze- und Kältewellen häufen sich. Sind diese Extreme die Normalität geworden? Sollen wir uns einfach daran gewönnen? Sind sie jetzt Teil der üblichen Klimabeschreibung? Oder sind sie immer noch seltene Wetterereignisse, die durch reinen Zufall in den letzten Jahren häufiger vorgekommen sind?

 

Das Wetter und das Klima sind Begriffe, die oft verwechselt werden. Das Wetter ist die kurzfristige Beobachtung (1 Stunde bis 1 Tag) von Klimaelementen an einem Ort. Klimaelemente sind z.B. Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und sie beschreiben das Wetter. Wenn es am Vormittag in einer Stadt regnet, ist vom Wetter die Rede. Wenn es die ganze Woche regnet, beschreibt das die Witterung. Die Witterung unterscheidet sich vom Wetter durch die Dauer, die sich von mehreren Tagen bis zu einer Jahreszeit erstreckt. Die Betrachtung von Wetterverhältnisse über einen längeren Zeitraum wird als Klima bezeichnet. Das Klima beschreibt die Klimaelemente über mehrere Jahre, normalerweise in einer Zeitspanne von 30 bis 40 Jahren. Der Monsunregen und die Passatwinde sind Beispiele für das Klima. Die Zeitdauer der Beobachtung ist der entscheidende Faktor für die Unterscheidung zwischen Wetter, Witterung und Klima.

 

Zuordnungsforschung = Die Wissenschaft der probabilistischen Ereigniszuordnung

Der Einfluss des menschengemachten Klimawandels auf das Wetter, kann mit Hilfe der Zuordnungsforschung erklärt werden. Dabei werden extreme Wetterereignisse, z.B. Hitzewellen, Dürre, Starkniederschläge bzw. Gewitter, analysiert und mit der Hilfe vom hochkomplexen Klimamodellen realitätsnah simuliert. Somit lassen sich mit dieser neuen wissenschaftlichen Methode die Veränderung des Risikos von Extremwetterereignisse besser verstehen. Dadurch kann festgestellt werden, ob ein Extremwetterereignis natürlichen Ursprungs ist oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit vom Meschen verursacht worden ist.

Zusammengefasst kann die Zuordnungswissenschaft die Auftrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Extremwetterereignisses in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren und dem Klimawandel feststellen. Damit können z.B. an einem bestimmten Ort und Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden, Murenabgängen, Hochwässern etc. im Vergleich zu der Zeit vor der industriellen Revolution (einer Welt ohne menschengemachten Klimawandel) prognostiziert bzw. berechnet werden.

 

Im Allgemeinen werden Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen auf Grund des Klimawandels immer häufiger. Ein Beispiel dafür ist der Regenfall vom 14. Juli 2021 in Deutschland, der vom Tief „Bernd“ verursacht wurde und enorme Wassermengen auf das Rheinland, die Eifel und das südliche Westdeutschland lieferte. Es hat teilweise 150 Millimeter Wasser pro Stunde geregnet, was dem höchsten Rekord von Regen in dieser Region entspricht. Bei der Tragödie sind außerdem 160 Personen ums Leben gekommen. Diese Hochwasserkatastrophe wurde als die Schlimmste seit der Sturmflut 1962 eingestuft.

 

Aber welchem Anteil hat der Klimawandel an Wetterereignissen? Diese Frage kann mit Hilfe von Modellen und Simulationen beantwortet werden. Hier spielt die Zuordnungswissenschaft ("Attribution Science") eine große Rolle. Gute Analysemodelle der Zuordnungswissenschaft gibt es für Starkregen und Hitzewellen. Leider sind die Modelle für die anderen Extremwetterereignisse wie Hurrikans oder Hagel noch nicht so weit fortgeschritten. Je kleiner das Gebiet des Extremereignisses, desto schwieriger ist die Durchführung einer Zuordnungsstudie. Deswegen ist es im Fall von Hagel noch fast unmöglich.

 

Hitze und Dürre

„Das kann zum Beispiel sein, dass eine Hitzewelle im heutigen Klima ungefähr alle fünf Jahre zu erwarten ist“, berichtet die Physikerin Friederike Otto. Aber in einer Welt ohne Klimawandel wäre die Auftrittswahrscheinlichkeit einer Hitzewelle alle 40 Jahre. Der Unterschied in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens entsteht aufgrund der vom Menschen erzeugten Treibhausgase und somit dank des Klimawandels. Genauso waren die Hitzewelle und Dürre vom Sommer 2018 in Deutschland eine Folge des Klimawandels.

 

Im Jahr 2019 gab es Messungen von Tageshöchsttemperaturen in mehr als 24 Städten im Südwesten Chinas, die gleich oder höher als historische Messwerte waren. Eine Dürre erstreckte sich in der Provinz Yunnan von März bis Juni und hat die Bevölkerung mit schlimmen Folgen hinterlassen. 2 Millionen Meschen haben unter Trinkwassermangel gelitten. Über 13.500 Quadratkilometer Ackerland waren mit Ernteausfällen betroffen und dies ergab wirtschaftliche Schäden von etwa 6,6 Milliarden Yuan oder 0,86 Milliarden Euro. Die Auftrittswahrscheinlichkeit dieser Extremereignisse ist auf Grund des Klimawandels um 46% gestiegen. Es gab 31 Todesopfer aufgrund eines Waldbrandes in der Region. Die Bedingungen für so einen Waldbrand sind siebenmal wahrscheinlicher geworden. Alle die vorerwähnten Berechnungen wären ohne die Zuordnungsforschung nicht möglich.

 

Extreme Hitzewelle in der Arktis

Im Dezember 2015 gab es die ersten plus Grade am Nordpol. Das kommt dort sonst nur im Sommer vor. Üblicherweise schwankt die Temperatur der Arktis im Winter zwischen Minus 20 und Minus 30 Grad Celsius. Diese Rekordtemperatur ergab einen Unterschied von 25 Grad zwischen der Normaltemperatur in diesem Monat und diesem außergewöhnlichen Höchstwert. Mit der Zuordnungswissenschaft wurde festgestellt, dass ein solches Ereignis ohne dem Klimawandel unmöglich gewesen wäre. Bis jetzt wurde dem Ergebnis der stärkste Anstieg der Wahrscheinlichkeit von einem Extremwetterereignis gewidmet. So ein Ereignis ist im Mittel 300-mal wahrscheinlicher geworden.

 

Mit der Zuordnungsforschung kann aber auch nachgewiesen werden, dass nicht alle Extremereignisse auf dem Klimawandel zurückzuführen sind (oder vom Klimawandel beeinflusst worden sind). Das war der Fall beim Rekordhochwasser an der Niederbayrischen-Donau im Jahr 2013. Es gab keine bemerkenswerten Abweichungen von den üblichen Regenmengen. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass in diesem Fall die Verbauung von Flüssen und Fehlen von Überflutungsflächen, also politische Angelegenheiten, verantwortlich waren.