Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen

Kurzzusammenfassung der Ergebnisse

Das von Kleinwasserkraft Österreich kofinanzierte Forschungsprojekt „Fischschutz und Fischabstieg in Österreich“ untersuchte als erstes umfangreicheres Projekt in Österreich in den Jahren 2015-2019 die flussab gerichtete Wanderung von Fischen an Wasserkraftwerken. Ziel war es, das Wissen über Fischverhalten und mögliche Probleme für die Flussfischfauna, die bei der flussabgerichteten Passage von Kraftwerksanlagen auftreten können, zu erweitern sowie Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie potenzielle Schädigungen bestmöglich verhindert werden können.

 

Einleitung

 

In unterschiedlichen Altersstadien verschiedene Lebensräume aufzusuchen, also zu „wandern“, ist eine Verhaltensweise, die zum natürlichen Lebenszyklus aller heimischen Fische gehört. Ob Wanderungen zum Aufsuchen von Laichplätzen (inklusive Rückwanderung), Wanderungen zur Nahrungssuche oder zum Aufsuchen geeigneter Lebensräume (Wintereinstände, Jungfischhabitate, etc.) – die Gründe sind vielfältig und für viele Fischarten und Altersstadien nach wie vor nicht ausreichend erforscht oder unbekannt.

 

Da bei Wasserkraftwerken meist der größte Teil des Abflusses durch die Turbine(n) fließt, ist grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass flussab wandernde Fische erstens vor potenziellen Schäden durch Turbinen geschützt werden und zweitens ein sicher durchwanderbarer Korridor für den Abstieg zur Verfügung steht. Im Rahmen des Projekts wurden an fünf Kraftwerksanlagen in vier Flüssen Fallstudien durchgeführt: an der Thaya in Niederösterreich, der Seeache in Oberösterreich, sowie dem Fritzbach und der Kleinarler Ache in Salzburg. Alle untersuchten Anlagen waren bereits vor Projektstart hinsichtlich Fischschutz und Fischabstieg adaptiert (im Gegensatz zu den allermeisten Bestandsanlagen in Österreich) und nehmen somit eine Sonderstellung in der österreichischen Kraftwerkslandschaft ein (Abb. 1).

Abb. 1: Im Projekt untersuchte Varianten von Abstiegshilfen

1) oberflächen- und sohlnahe Öffnungen zum Turbinen-Bypass (Standort Thaya).

2) Abstiegsklappe an der Seeache. Bei Betrieb der Rechenreinigung wird die gesamte Klappe zum Ableiten des Treibgutes abgesenkt.

3) Abstiegsklappe ebenfalls an der Seeache in ähnlicher Ausführung.

4) Zulauf zur Abstiegs-/Restwasserklappe an der Kleinarler Ache. Die Öffnung ist am Gewässerrand situiert.

5) Oberwasserbereich mit Abstiegs-/Restwasserklappe am Fritzbach. Die Abstiegsklappe ist vom Gewässerrand versetzt.

 

Ergebnisse

 

Thema Fischschutz:

Abwandernde Fische, die der Hauptströmung folgen, gelangen in der Regel unweigerlich zum Einlass von Turbinen. In Folge passieren die Fische entweder die Turbine, oder sie können mittels Barrieren von einer Turbinenpassage abgehalten oder zu einem Abwanderkorridor umgeleitet werden (Abb. 2 und 3). Im Falle der Turbinenpassage können Verletzungen oder auch Mortalität von Fischen auftreten. In welchen Prozentsätzen Turbinen von Fischen schadlos durchwandert werden können ist trotz inzwischen zahlreicher internationaler Untersuchungen nicht allgemeingültig zu beziffern bzw. stark standortabhängig. Schädigungsraten hängen wesentlich vom Turbinentyp ab.

 

Weiters sind Faktoren wie Fallhöhe, Schaufelanzahl, Drehzahl, Turbinengröße sowie natürlich auch die Fischart und -größe entscheidend. An der Thaya wurde an einem der Projektstandorte die Passage von Fischen durch eine Kaplanturbine untersucht und dabei eine Mortalitätsrate von maximal 23% festgestellt. Maximal, weil nicht exakt bestimmt werden konnte, wie viele Fische eventuell schon geschwächt oder verletzt waren, bevor sie in die Turbine eingewandert sind und wie viele Fische erst durch die Passage des Feinrechens verletzt wurden. Zwar wurden Vergleichsuntersuchungen mit Driftnetzen auch oberhalb der Turbine gemacht - diese zeigten einen teils deutlich höheren Anteil an toten Fischen. Aufgrund der sehr geringen Fangzahlen und äußeren Umstände war eine quantitative Auswertung jedoch nicht sinnvoll.

 

Generell lässt sich beobachten, dass Kaplanturbinen ein geringeres Verletzungsrisiko für Fische aufweisen als Francisturbinen, beide aber im Vergleich zu „alternativen“ Turbinentypen (z.B. VLH-Turbine, Aldenturbine, Schnecken) erhöhte Fälle von Schädigungen aufweisen. Neuere Erkenntnisse, die großteils auch auf heimische Gewässer umgelegt werden können, liefert ein ebenfalls kürzlich abgeschlossenes Forschungsprojekt aus Bayern (Link: bit.ly/3pnolzp). Wenngleich bei österreichischen Kraftwerken unterschiedliche Turbinen im Einsatz sind, ist die Mehrheit mit Kaplan- oder Francis-Turbinen ausgestattet. Daher kommen Schutzmaßnahmen vor Turbinenpassagen eine zentrale Bedeutung zu. Den effektivsten Schutz vor einem Durchschwimmen von Turbinen bieten mechanische Barrieren. Meist sind dies Rechenanlagen mit variierenden lichten Weiten, horizontal oder vertikal angeordneten Stäben. An der Thaya konnten durch den vor der Turbine installierten Feinrechen (lichte Weite 16mm, horizontale Stäbe), Fische über 160 mm Körperlänge von einer Passage abgehalten werden. Neben dem Stababstand ist auch die Anströmgeschwindigkeit des Rechens von großer Bedeutung, wobei eine maximale Geschwindigkeit von 50cm/s nicht überschritten werden soll.

 

Durch Schrägstellung eines Rechens lassen sich auch bei beengten Platzverhältnissen adäquate Lösungen umsetzen. Aus den Projektergebnissen sowie auch aus internationaler Literatur kann man ableiten, dass Feinrechen (lichte Weite max. 15mm) mit horizontalen Stäben, horizontal geneigtem Rechenfeld und anschließender Abstiegsmöglichkeit (Klappe, Bypass, o. ä., siehe Abb. 2) sich sehr gut bewähren und wohl auch an annähernd allen heimischen Kleinkraftwerken angewendet werden können.

 

 

 

 

Abb. 2: Schematische Beispiele/Varianten zur Ermöglichung des Fischabstieges an Kraftwerksstandorten

Links: Kombination aus Feinrechen und Abstiegsbypass (analog zum System Ebel, Gluch und Kehl, 2001): Fische werden durch den schräg gestellten Feinrechen vom Turbineneinzug ferngehalten und zum Abstiegskorridor geleitet. Geeignetes Prinzip bei Laufkraftwerken sowie unmittelbar vor der Turbine bei Ausleitungskraftwerken, sofern das Einwandern von Fischen in den Triebwasserweg nicht schon am Wehr unterbunden werden kann. Rechts: Feinrechen am Gewässerrand/vor Triebwasserweg verhindert Einwandern von Fischen. Abstiegshilfen-/Restwasserklappen sollten immer so situiert sein, dass keine „Sackgassen“ entstehen. Auffindbarkeit der FAH sollte nach Möglichkeit auch vom Oberwasser aus optimiert sein. Zusatzdotation direkt am Wanderhindernis kann Abstieg begünstigen.

 

Thema Fischabstieg:

Im Vergleich zum Fischschutz, für den zumindest für das Abhalten größerer Fische von der Turbine relativ eindeutige Kriterien formulierbar sind, ist noch sehr wenig Wissen zu vielen Aspekten des Fischabstiegs vorhanden. Das betrifft sowohl ökologisches Wissen zum Abwanderungsverhalten vieler heimischer Fischarten bzw. deren Altersstadien als auch zur Funktionalität potenzieller Wanderkorridore an Querbauwerken und Wasserkraftwerken. Im Rahmen des Projekts wurde versucht, durch ein Monitoring möglichst vieler potenzieller Wanderkorridore, präferierte Wanderrouten zu identifizieren bzw. die Ursachen zu ergründen, warum Fische bestimmte Korridore zum Abstieg wählen. Neben der Turbine sind je nach Anlage folgende Abwanderkorridore verfügbar: Fischabstiegshilfe, Wehr, Fischaufstiegshilfe, ev. Restwasserdotation/ Restwasserturbine.

 

Fischabstiegshilfen bezeichnen im engeren Sinn eigens errichtete Korridore, die im Idealfall eine durchgehende (von der Oberfläche bis zur Sohle) Öffnung oder Anrampung aufweisen, um sowohl für boden- wie auch oberflächennah abwandernde Fische geeignet zu sein. Jedoch können auch Bauwerke, die nicht primär für den Abstieg von Fischen errichtet wurden, als Abstiegskorridor genutzt bzw. dafür adaptiert oder optimiert werden (Restwasserdotationsbauwerke oder Restwasserturbinen). Die m Projekt untersuchten Kraftwerke sind mit Abstiegshilfen ausgestattet, die entweder als Klappen (tw. kombiniert als Restwasserdotation), oder, im Falle Thaya, als Abstiegsrohr parallel zur Turbine ausgeführt wurden. Beim Kraftwerk an der Thaya ist weiters auch eine Restwasserrinne in der Wehrkrone vor Beginn des Triebwasserkanals situiert, die einen Abstiegskorridor schafft.

 

Obwohl Abstiege von Fischen an allen untersuchten Abstiegskorridoren nachgewiesen wurden, variierte deren Bedeutung für das Abstiegsgeschehen stark. Die Abstiegszahlen waren an allen dezidierten Abstiegshilfen in Summe eher gering. Für den Perlfisch aber wurden an der Seeache signifikante Abwanderzahlen über die Abstiegsklappe verzeichnet: 40% der über die FAH aufgestiegenen Perlfische wanderten über die Klappe wieder zurück in den Attersee. Dieser Wert läge vermutlich noch deutlich höher, wenn nicht zur Phase der Abwanderung auch das Wehr deutlich überströmt gewesen wäre. An der Thaya (wo alle Abwanderkorridore untersucht wurden) stiegen nur etwa 5% aller Abwanderer über die Abstiegshilfe ab, während aber bei ähnlicher Dotation 22% der Abwanderer über die Restwasserdotationsrinne abstiegen. Aus dem Vergleich unterschiedlicher Ausführungen von Abstiegshilfen lässt sich außerdem schließen, dass besonders die Auffindbarkeit des oberwasserseitigen Einstieges entscheidend für die Funktionalität eines Korridors ist. Sackgassen, also Bereiche von denen Fische zunächst wieder zurück flussaufwärts schwimmen müssen, um eine Abstiegsmöglichkeit zu erreichen, sollten jedenfalls vermieden werden. Die weiter oben erwähnte Kombination eines schräg zur Gewässerachse verlaufenden Feinrechens, der die Fische in Richtung einer Abstiegshilfe „leitet“, ist besonders effizient und soll hier nochmals empfohlen werden (vgl. Abb. 2).

 

Ein an allen Kraftwerken relevanter und wichtiger Abwanderkorridor ist auch das Wehr, welches freilich nur bei Überwasser passierbar ist. Abstiege über das Wehr wurden an allen Fallstudien (mit Ausnahme der Thaya, wo im Untersuchungszeitraum kein Wehrüberlauf stattfand) nachgewiesen. Einzelne Fische (v.a. Bachforellen) wanderten sogar mehrfach über das Wehr ab (und über die FAH wieder hinauf). Für die Perlfische an der Seeache wurde mittels Radiotelemetrie nachgewiesen, dass in Zeiten von signifikantem Wehrüberlauf alle Individuen über das Wehr abwanderten.

 

Fest steht aber auch, dass die Funktionalität eines Wehres als Abstiegskorridor stark vom Ausbaugrad der Anlage und den hydrologischen Verhältnissen abhängt bzw., dass in Phasen ohne Überwasser eine Abwanderung nicht möglich ist. Ist der Bereich unterhalb eines Wehres hart verbaut (Steinschlichtung, betoniert, o.ä.) besteht zudem die Gefahr, dass Fische beim Abstieg verletzt oder getötet werden. Dies ist insbesondere bei großen Fallhöhen oder geringem Wehrüberlauf der Fall. Unterhalb des Wehres sind also unbedingt ausreichend tiefe Wehrkolke/Tosbecken herzustellen.

 

Auch die Nutzung von Fischaufstiegshilfen (FAH´s) als Abwanderkorridor wurde in allen Fallstudien belegt. Bei den Fallstudien an der Seeache, Fritzbach und Kleinarler Ache wurden auch Individuen beobachtet, die die FAH sowohl als Aufstiegs- als auch mehrfach als Abstiegskorridor nutzten. Wiederum ist für eine effektive Nutzung als Abstiegskorridor die Auffindbarkeit des oberwasserseitigen Einstieges mitentscheidend. Überlegungen zur Nutzung einer FAH auch als Abstiegsweg sollten also in der Planungsphase jedenfalls angestellt werden. Auch eine zusätzliche, wehrnahe Zuleitung in die FAH, die von Absteigern leichter auffindbar ist als ein oftmals weit ins Oberwasser verlegter FAH-Ausstieg, ist an manchen Standorten eine denkbare und kostengünstige Variante zur Anlagenoptimierung (vgl. Abb. 2).

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Überlegungen zur Lage und Dotation potenzieller Abwanderkorridore sowie Möglichkeiten zur Kombination von FAH und Fischabstieg, unter Berücksichtigung von Ausbaudurchfluss, Hydrologie, Überwassersituationen, Restwasserdotation, Turbinentyp, Fischartenspektrum etc. in jeden Planungsprozess Eingang finden sollten. Durch einen holistischen Planungsansatz können Synergien früh erkannt sowie ökologisch und ökonomisch attraktive Lösungen entwickelt werden.

 

 

Information

Das Projekt wurde vom Institut für Hydrobiologie der Universität für Bodenkultur Wien durchgeführt und vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, den Bundesländern Niederösterreich, Salzburg, Oberösterreich und Steiermark sowie dem Verein Kleinwasserkraft Österreich und dem Österreichischen Fischereiverband finanziert.

 

Ein herzlicher Dank gilt den BetreiberInnen der Kraftwerke, die die Untersuchungen ermöglicht und unterstützt haben. Die Endberichte der einzelnen Fallstudien sowie die Literaturstudie zum aktuellen Wissens- und Forschungsstand um das Thema Abstieg und Fischschutz können über die Webseite des BMLRT heruntergeladen werden (Link: bit.ly/3qozKjX).

 

 

 

Autoren/Kontakt:

Pablo Rauch und Günther Unfer,

Universität für Bodenkultur Wien

Institut f. Hydrobiologie und Gewässermanagement

www.boku.ac.at/ihg, pablo.rauch@boku.ac.at

guenther.unfer@boku.ac.a