Dr.in Regina Petz-Glechner, technisches Büro für Ökologie und Umweltschutz

Mit dem technischen Büro für Ökologie und Umweltschutz betreiben Dr.in Regina Petz-Glechner und Ihr Mann Dr. Wolfgang Petz seit vielen Jahren eines der renommiertesten Büros für Fragen rund um die Gewässerökologie.

Sehr geehrte Frau Petz-Glechner, als Gewässerökologin sind Sie dem Naturraum Wasser verbunden. Wie kam es zu diesem Karriereweg?

Solange ich zurückdenken kann, d.h. bereits vor meiner Schulzeit, war ich sicher, Biologie studieren zu wollen. "So eine brotlose Zunft", war der damalige Kommentar meiner Eltern zu diesen Plänen. Erst viel später wurde mir klar, dass es in der Biologie einer Spezialisierung bedarf. Fische und Gewässer, vor allem die Fließgewässer, hatten mich schon immer interessiert. Prägend war dabei sicherlich meine Kindheit  und mein Elternhaus nahe der Innauen in Oberösterreich. Letztendlich war es aber auch eine glückliche Verkettung von Umständen. Mein Betreuer und Doktorvater auf der Universität Salzburg war sehr offen für alle Themen und hat es mir ermöglicht, abseits seines damaligen Forschungsschwerpunktes meinen eigenen Interessen nachzugehen. Nach der Diplomarbeit war ich für die Dissertation knapp drei Jahre über ein Forschungsprojekt – übrigens von Verbund, über Stauraumspülungen – an der Universität Salzburg beschäftigt. In dieser Zeit habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Die Selbständigkeit hatten wir anfangs nicht geplant und es gab für Biolog*innen damals ja nicht einmal einen Gewerbeschein. Es wurde mir aber schnell klar, dass diese projektbezogene Tätigkeit meinen Interessen weit mehr entgegenkommt, als eine universitäre Karriere. Diesen Schritt habe ich bis jetzt noch keinen Tag bereut.

 

Sie begleiten seit vielen Jahren Kleinwasserkraftbetreiber*innen bei Ihren Projekten. Was hat sich in dieser Zeit hinsichtlich der Projektierung verändert?

Ich blicke jetzt 27 Jahre zurück. Als ich als freiberufliche Biologin begonnen habe, gab es noch einige Jahre lang keine Wasserrahmenrichtlinie. Es gab keinen ökologischen Zustand – zumindest gab es den Begriff noch nicht, keine Vorgaben zur Restwasserbemessung, keine Leitfäden für Fischaufstiegshilfen. Gewässerökolog*innen wurden nur beauftragt, wenn es gar nicht anders ging und irgendein spezielles Problem gelöst werden musste. Kraftwerksbetreiber*innen mussten auf Knien angefleht werden, doch bitte einen Fischpass zu errichten oder ein kleines bisschen Restwasser abzugeben. Man war allerdings in wesentlich höherem Maß als heute tatsächlich als Sachverständige tätig und auf solides ökologisches Basiswissen angewiesen, weil es eben kaum Richtlinien und Vorgaben gab. Dann kam die Wasserrahmenrichtlinie und Ende 2003 die Implementierung in das Wasserrechtsgesetz. Es folgte eine Zeit der Verunsicherung und Rechtsunsicherheit. Wasserkörper wurden im laufenden Verfahren geteilt und die Bewertungsmethoden des ökologischen Zustandes änderten sich mehrmals. Zudem wurden wir bei Projekten meist erst dann beigezogen, wenn die komplette technische Planung bereits fertig war und es sehr schwer war, Dinge zu ändern oder gar erklären zu müssen, dass das Vorhaben gar nicht verwirklichbar ist. Das alles hat sich zwischenzeitlich "eingespielt" und wir werden meist von Beginn an in die Projekte involviert. Die Regelungen sind aber im Laufe der Jahre immer strenger geworden. Mittlerweile betteln wir nicht, wie vor 20 Jahren, um Restwasser, sondern unterstützen die Betreiber*innen, dass Werte vorgeschrieben werden, die für Natur und Kraftwerk gleichermaßen verträglich sind. Es ist mittlerweile wirklich schwer geworden, alle Regelwerke, Leitfäden, Handlungsanweisungen, Verordnungen und Erlässe zu überblicken. Immer öfter stehe ich vor rechtlichen Fragen, und es geht sehr oft zu wenig um das Ökologische, das ja eigentlich den Sinn des Ganzen ausmacht. Wir sind zu einer "Generation Checklist" geworden, die sich krampfhaft an die Vorgaben klammert, anstatt eine eigenständige Expertise abzugeben.

 

Wir hören oft, dass zu viele (unnötige) Auflagen gemacht werden. Müssten sich die Betreiber*innen vielleicht nicht auch etwas mehr zutrauen in der Verhandlung?

Ja, unbedingt! Es geschieht wirklich sehr oft, dass Betreiber*innen hinterher – d.h. lange nach Verhandlung und Bescheid – fragen, ob man die eine oder andere Auflage nicht "loswerden" könne. Leider geht das im Regelfall auf unkomplizierte Art wirklich nur, bevor ein Bescheid erlassen wird. Manchmal wurde das Problem von den Betreiber*innen bei der Verhandlung einfach nicht erkannt, und es gibt tatsächlich auch immer wieder Auflagen, die sich als undurchführbar erweisen. Sehr oft ist aber die Akzeptanz von Auflagen der zermürbend langen Verfahrensdauer geschuldet, die sich bei uns mit sehr wenigen Ausnahmen etabliert hat. Wenn ein Projekt dann endlich vor den Augen der Behörde verhandlungsreif ist, sind alle schon so genervt, dass am Verhandlungstag das Motto "Hauptsache Bescheid" im Vordergrund steht. Das (böse) Erwachen kommt dann später. Natürlich ist die Einschätzung der Auflagen als "zu viele" und "unnötig" auch sehr subjektiv. Allerdings ist es eine Tatsache, dass innerhalb Österreichs die Bundesländer und mitunter auch die einzelnen Behörden sehr unterschiedliche Auflagen (in Menge und Detailschärfe) vorschreiben, was bei den Betreiber*innen, die ja untereinander gut vernetzt sind, naturgemäß auf komplettes Unverständnis stößt.

 

Braucht es auch mehr „Augenmaß“ von den Behörden?

Die oben erwähnte "Generation Checklist" macht natürlich auch vor den Behörden nicht halt. Jede*r Amtssachverständige sitzt vor zig Regelwerken und muss aufpassen, nicht mit einer eigenen Expertise irgendeinen Nebensatz eines Leitfadens zu missachten. Da ist es natürlich viel sicherer, eine Checklist auf Vollständigkeit zu prüfen. Ich sehe dieses Problem durchaus von beiden Seiten und verstehe den Druck, der auf den Amtssachverständigen lastet, die (meistens) noch dazu niemals praktisch arbeiten durften. Aber für viele Projekte ist diese Entwicklung in Summe eine Katastrophe. Aufgrund der vielen Vorgaben kommen nämlich die tatsächliche gewässerökologische Beurteilung, Plausibilitätsprüfung und Beurteilung immer öfter zu kurz. In diesem Zusammenhang wäre es auch wichtig, dass sich die Behörden nicht ausschließlich auf die Beurteilungen durch Amtssachverständige stützen, sondern auch andere Expertisen berücksichtigen und nach Plausibilität und Qualität der Argumente entscheiden. Ich würde sagen, mehr "Augenmaß" bräuchte es dann gar nicht, denn eine solide Interessensabwägung hätte den gleichen Effekt.

 

Sie haben auch die Entwicklung und Umsetzung der bislang drei Nationalen Gewässerbewirtschaftungspläne erlebt. Warum haben die Investitionen noch kaum zu sichtbaren Erfolgen geführt?

So negativ würde ich das gar nicht sehen. Es gibt ja durchaus Erfolge. Aber es ist richtig, angesichts mancher Investitionen hätte man sich in einigen Bereichen mehr erwartet. Es ist mittlerweile sehr viel Geld in die Wiederherstellung der Durchgängigkeit geflossen. Diese ist zweifellos wichtig. Man darf sich aber auch nicht vorstellen, dass man Querbauwerke fischpassierbar umbaut und die Strecken dazwischen füllen sich jetzt wie von Zauberhand mit Fischen. Natürlich haben einige Arten nun die Möglichkeit, Gewässerabschnitte zu besiedeln, die ihnen bisher versperrt waren. Sehr oft fehlt es aber einfach an der Qualität des Lebensraumes und an Laichplätzen. Es ist auch bekannt, dass die Wanderungen von Fischen in dem Maß zunehmen, wie ihr Lebensraum anthropogen verändert ist. Je besser die Habitatqualität ist und je näher die einzelnen Teilhabitate zueinander situiert sind, desto weniger weit muss der Fisch wandern. Die alleinige Betrachtung von Maßnahmen wie der Herstellung der Durchgängigkeit ist daher nur als erster Schritt zu sehen, der erst in Kombination mit anderen Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung Erfolg bringen wird. Leider gibt es auch Gewässer, an denen man jetzt hinterher feststellen muss, dass die Möglichkeiten für andere Maßnahmen gar nicht gegeben sind. Hier wird es trotz erfolgreicher Herstellung der Durchgängigkeit schwierig werden, die Umweltqualitätsziele zu erreichen.