Vielversprechendes neues Anlagenkonzept von TU München entwickelt und produziert

Weltweit erstes Schachtkraftwerk am Netz

An der Loisach in Großweil (Deutschland) wurde vor Kurzem das erste Schachtwasserkraftwerk der Welt errichtet. Es gilt als besonders ökologisch und fischfreundlich. Das neue Anlagenkonzept des Wasserkraftwerks in Bayern wurde von der TU München entwickelt und produziert mit einer maximalen Leistung von 420 kW rund 2,5 Mio. kWh im Jahr.

 

Obwohl die Stromproduktion aus Wasserkraftwerken ein wirksames und notwendiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel ist, gibt es bekanntlich immer wieder Stimmen, die vor dem ökologischen Eingriff durch die Errichtung von Wasserkraftwerken warnen. Weil der ursprüngliche Plan, ein konventionelles Wasserkraftwerk in Großweil an der Loisach zu errichten, aus ebendiesen Gründen abgelehnt wurde, entwickelte die TU München einen völlig neuen Kraftwerks-Typ. Das innovative Schachtkraftwerk ist nicht nur fast zur Gänze CO2-neutral, sondern erfüllt auch höchste ökologische Auflagen. Zudem ist das Kraftwerk kaum zu sehen, da der Großteil der Konstruktion unter der Erde und dem Wasser verbaut wurde. Lediglich das sogenannte Technikgebäude ist sichtbar. Nach einer Idee von Dipl.-Ing. (FH) Albert Sepp und Professor Dr. Rutschmann wurde das neuartige Wasserkraftwerk, welches seit Jahresanfang in Betrieb ist an der TU München konzipiert und verwirklicht.

 

Pilotprojekt

Seit Jahresanfang versorgt das weltweit erste Schachtkraftwerk nun etwa 800 Haushalte in der Gemeinde Großweil an der Loisach mit klimafreundlichem Ökostrom aus Wasserkraft. Doch wie kam es zur Realisierung am Projektstandort? Zunächst sollte ein traditionelles Buchtenkraftwerk errichtet werden. Da dieses, wie bereits erwähnt, allerdings aufgrund der hohen naturschutzrechtlichen und ökologischen Auflagen nicht genehmigt wurde, entwickelte ein Team der TU München einen völlig neuen Wasserkraftwerks-Typ – ein Schachtwasserkraftwerk. Projektleiter Prof. Rutschmann argumentiert die Notwendigkeit dieser Entwicklung damit, dass wir Technologien brauchen, die sowohl Klima-, als auch Naturschutz so gut wie möglich verbinden. Da nahezu die gesamte Anlage unter Wasser liegt, muss für ein Schachtkraftwerk kein großes Kraftwerkshaus errichtet werden – ein Vorteil für das Landschaftsbild.

 

Der Standort für diese erste Pilot-Anlage ist besonders interessant, da das Schachtkraftwerk durch die Erfüllung sehr strenger ökologischer Kriterien in einem Natura-2000-Gebiet genehmigt wurde. Mehr noch: Die Errichtung des Kraftwerks hat die Fischwanderwege sogar deutlich verbessert, da mit dem Kraftwerk gleich zwei Fischaufstiege in Form von Vertical-Slot-Pässen an beiden Uferseiten erreichtet wurden. Die vorhandene Rampe galt als für Fische nicht passierbar. Das neuartige Wasserkraftwerk könnte nicht nur die Lösung für die kleine bayrische Gemeinde Großweil sein, sondern auch weltweit bei bestimmten naturräumlichen Gegebenheiten eingesetzt werden. Laut der TU München kann diese Technologie in Flüssen unterschiedlichster Art und verschiedenster Größe installiert werden, und könnte damit auch in Österreich an bestehenden Querbauwerken zum Einsatz kommen.

 

Wie funktioniert das Wasserkraftwerk?

Im Gegensatz zu derzeit üblichen Bauformen ist die Kraftwerksanlage bei einem Schachtkraftwerk im Gewässer unter Wasser verbaut (siehe Abb.). Das Wasser fließt nicht horizontal, sondern vertikal in diesem Schacht, der von einem großen flach liegenden Rechen geschützt wird. Diese Anordnung ist die wesentliche Neuerung beim Schachtkraftwerk. Aktuell werden bekanntlich bei Wasserkraftanlagen die Rechen vertikal (stehend) eingebaut – also horizontal durchflossen. Das kann bei größeren Abflüssen und einem hohen Schutzbedarf der abwandernden Fische zu Platzproblemen beziehungsweise zu hohen Kosten führen. Denn eine vertikale Rechenanlage lässt sich nur dann maßgeblich vergrößern, wenn die Breite erhöht wird. Und nur so kann eine größere Rechenfläche geschaffen werden um die Fließgeschwindigkeit vor dem Rechen und/oder den lichten Rechenabstand verringern zu können – also an zwei wichtigen Paramatern für die Fischfreundlichkeit zu schrauben. Dieses Platzproblem kennt das Schachtkraftwerk aufgrund der flach liegenden Anordnung des Rechens nicht. Dadurch kann die Rechenfläche mehr oder weniger beliebig vergrößert, und so die Anströmverhältnisse optimiert werden. Neben der großen Rechenfläche wurde zur Verbesserung der Anströmhydraulik eine Permanentüberströmung des stirnseitig angeordneten Verschlusses entwickelt. Dadurch ergibt sich der vorteilhafte Effekt, dass im unmittelbaren Einlaufbereich ein direkter Abwanderungskorridor für den Fischabstieg zur Verfügung steht und somit der energetisch nicht nutzbare aber hydraulisch erforderliche Überströmungsabfluss ökologisch eingesetzt wird.

 

Ersten Tests der TU München zufolge ist das Schachtkraftwerk fischfreundlicher als herkömmliche Wasserkraftwerke. Die Fische schwimmen meist problemlos am Schacht vorbei und über den Fischabstieg hinunter. Da der Fluss mehr oder weniger in natürlicher Weise über das Kraftwerk fließt, bleibt das gesamte Ökosystem in einem relativ unberührten Zustand. Natürlich liegen nach knapp einem Jahr Betrieb noch keine Langzeittests vor, die die gesamtmorphologische Situation auf allen Ebenen beurteilen können. Flussaufwärts können die Fische per konventioneller Fischaufstiegshilfe wandern. Geröll und Treibholz werden von dem Rechen abgefangen, der die Turbine schützt. Dieser wird automatisch gereinigt, wobei das Geschiebe über eine Wehrklappe dem weiteren Flussverlauf mit der Strömung zugeführt wird.

 

Fazit

Das Schachtkraftwerk ist gut skalierbar und damit für einen großen Einsatzbereich geeignet. Wie etwa auch beim Pilot-Standort, können mehrere Turbinen nebeneinander installiert werden. Noch nicht bekannt sind die Kosten, die mit diesem Kraftwerks-Typ verbunden sind. Und auch Langzeitstudien hinsichtlich Ökologie, Regelarbeitsvermögen und Wirkungsgrad liegen noch nicht vor. Zwar scheint das Schachtkraftwerk jedenfalls für das Naturschutzkriterium des „Landschaftsbildes“ vorteilhaft zu sein, es steht aber natürlich immer noch die Frage im Raum, ob sich über dieses „subjektive“ bzw. rein qualitative Kriterium hinaus noch die objektiven Vorteile im ökologischen Gesamtzustand eines Gewässers quantifizieren lassen. Darum werden wir die Entwicklung natürlich weiterverfolgen und bei Bedarf weiterhin davon berichten.

 

Technische Kenndaten:

Engpassleistung: 420 kW

Regelarbeitsvermögen RAV: 2,5 Millionen kWh

 

Weitere Informationen zum Schachtkraftwerk und Kontaktaufnahme zum Entwicklerteam unter: www.hydroshaft.com