Kraftwerk an der Ysper

Das "neue" Kraftwerk im Natura-2000 Gebiet

Seit 1886 besteht an der Ysper, ca. 1 km vor der Mündung in die Donau, eine Kleinwasserkraftanlage, welche im Jahr 2019 umfassend revitalisiert wurde. Dabei kann die Anlage, die im Jahr 2017 von Ing. Karl Fürholzer gekauft wurde, als neues Kraftwerk bezeichnet werden, da fast alle Anlagenteile erneuert wurden.

 

Gleich nach dem Kauf der Wasserkraftanlage eines lokalen Betreibers startete die Planungsphase für die technische und ökologische Revitalisierung des Kleinwasserkraftwerks. Die im Jahre 1886 errichtete Anlage entsprach nicht mehr dem Stand der Technik und bedurfte einer Erneuerung. Wie für ältere Anlagen typisch, war die Ausbauwassermenge relativ gering und wurde im Zuge des Umbaus von 2,4 m³/s auf 2,75 m³/s angehoben. Ein wesentlicher Teil der Revitalisierung war die Verrohrung des rund 360 Meter langen Werkskanals, wodurch die Fallhöhe von knapp 4,5 Meter auf über 7 Meter erhöht werden konnte. Dazu kam natürlich auch eine umfassende ökologische Revitalisierung mit horizontaler Feinrechenanlage, Fischauf- und -abstieg sowie einer Restwasserdotation von 220 l/s beziehungsweise einem dynamischen Anteil von 20%.

 

Herausforderung Naturschutz und Gewässerökologie

Die Anlage im Kleinen Yspertal liegt im Landschaftsschutzgebiet „Strudengau und Umgebung“ und im Europaschutzgebiet – NATURA 2000 „Strudengau-Nibelungengau“. Dieser Umstand machte vor allem die naturschutzfachliche Bewilligung sehr umfangreich. Nicht weniger als 16 Lebensraumtypen und ebenso viele signifikate Tierarten (darunter 9 Fischarten) mussten berücksichtigt werden.

Ein Knackpunkt dabei war die oben erwähnte Verrohrung des teils naturnahen Werkskanals. Da jedoch mit den gesetzten ökologischen Maßnahmen in Summe eine deutliche Verbesserung geschaffen wurde, war jedoch auch diese schlussendlich möglich.

Das Kraftwerk liegt zudem in einer geschützten Gewässerstrecke des Niederösterreichischen wasserwirtschaftlichen Regionalprogramms 2016 zum Erhalt von wertvollen Gewässerstrecken, mit der ausgewählte Strecken vor einer ökologischen Verschlechterung zu schützen sind. Die Ysper ist in der Kategorie „blau“ ausgewiesen, in der Bewilligungen für neue Wasserkraftanlagen generell nicht zulässig sind. Auch hier stellte sich zu Beginn der Projektierung kurz die Frage, ob eine Anlage wie als „neu errichtete“ zu gelten hat. Eine Mutmaßung, die durch einen Blick in die sehr klar formulierten Erläuterungen der Verordnung jedoch schnell ad acta gelegt werden konnte.

 

Da die bereits bestehende Wasserkraftwerksanlage mit aufrechter Bewilligung revitalisiert wurde und gleichzeitig die Gewässerökologie verbessert wurde, war der Projektbeginn kein Problem. Die Bezirkshauptmannschaft Melk erteilte nach einer NVP die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Revitalisierung der Anlage und die Errichtung einer Fischaufstiegshilfe. Weitere ökologische Maßnahmen waren unter anderem, dass keinerlei fremde Stoffe (Öle, Schmiermittel, Abwässer) in die Umwelt gelangen dürfen, die betroffenen Flächen rekultiviert und begrünt werden müssen und die gesamten Baumaßnahmen natur- und umweltverträglich ablaufen müssen.

 

Nach der Revitalisierung

Mit einem Ausbaudurchfluss von 2,75 m³/s und einer Bruttofallhöhe von 7,15 m erreicht die Kraftwerksanlage eine Engpassleistung von 151 kW, was einer Steigerung um über 100 kW entspricht. Diese Leistungssteigerung wurde auch möglich, weil als neuer Maschinensatz eine doppelt regulierte Kaplanturbine mit direkt aufgesetztem PN-Generator zum Einsatz kommt. Die Anlage produziert damit künftig ca. 700.000 kWh sauberen Ökostrom pro Jahr, welcher vollständig ins öffentliche Netz eingespeist wird. Damit können etwa 175 Haushalte versorgt werden oder mit einem Elektroauto rund 3,4 Millionen Kilometer pro Jahr gefahren werden.

 

Neu ist nicht gleich Neu

Im Dezember 2019 ging das Wasserkraftwerk in Probebetrieb. Bis auf die Wehranlage, die saniert wurde, um die technische Stabilität zu garantieren, wurden alle wesentlichen Anlagenteile erneuert. Entsprechend der aktuellen Definition im Ökostromgesetz handelt es sich damit beim nun revitalisierten Kraftwerk um eine Neuanlage. Genau solche Anlagen mit umfassenden Revitalisierungen sind es auch, die von manchen NGOs gerne als „Wahnsinnsprojekt“ bezeichnet werden. Revitalisierungen wie diese zeigen auch auf, dass durch die Investition in Kleinwasserkraft von privater Hand viel Geld in die Sanierung unserer Gewässer gesteckt wird. Und genau solche Projekte, die bereits genauestens naturschutzfachlich und gewässerökologisch geprüft wurden, könnten mit der Einführung von unnötigen und undurchdachten Öko-Kriterien in einem neuen Ökostromgesetz (bzw. Erneuerbaren Ausbau Gesetz) ab 2021 verhindert werden.

 

Ein zusätzliches Öko-Kriterium im Zuge der Fördervergabe ist, wie dieses Beispiel zeigt, aufgrund des umfangreichen Bewilligungsprozesses wenig zielführend. Bei einer Verschlechterung erhält man keinen positiven Bewilligungsbescheid, darum wäre eine weitere Prüfung durch die Förderstelle nicht notwendig und bedeutet lediglich einen bürokratischen Mehraufwand.

 

Technische Kenndaten: Nach der Revitalisierung

Ausbauwassermenge Q: 2,75 m³/s

Bruttofallhöhe H: 7,12 m

Turbine: Kaplan

Wehrkanal: 360 m (verrohrt DN 1.600)

Engpassleistung: 151 kW

Regelarbeitsvermögen RAV: 700.000 kWh

Restwassermenge: mind. 220 l/s + dynamischen