Nachdem die Wehranlage an der Gail 2018 zerstört wurde, musste sie umgehend wiederhergestellt werden.

Ein neues Tor zum Lesachtal

Im Spätherbst des Jahres 2018 wurde die Wehranlage vlg. Wetzmann an der Gail vollständig zerstört. Die Wehranlage war Teil des Wasserkraftwerkes zur Versorgung des Fensterwerkes der Firma Hasslacher (Franz Christian Berger) in Kötschach Mauthen. Aus diesem Grunde musste die Anlage umgehend wiederhergestellt werden.

Historie

Am Standort des aktuellen Kraftwerkes am Ausgang der Schluchtstrecke des Lesachtales nach Kötschach Mauthen wurde vor der aktuellen Nutzung seit Generationen die Holzdrift aus dem schwer zugänglichen Tal aufgefangen. Dazu diente eine Triftweiher am linken Ufer der Gail, der in Folge zum heutigen Sandfang des Kraftwerkes weiterentwickelt wurde.

Das Wasserkraftwerk selbst wurde in zwei Stufen errichtet. Im ersten Schritt wurde eine Anlage mit einem Ausbaudurchfluss von 2,8m3/s umgesetzt, das im Jahr 1988 um eine zweite Stufe mit einer Ausbauwassermenge von 6,0 m3/s erweitert wurde.

Das zerstörte Holzkastenwehr mit einer Länge von etwa 40m wurde im Jahr 1952 errichtet und hat über beinahe 70 Jahre allen Hochwässern an der Gail getrotzt. Im Zuge des Hochwasserereignisses im Jahr 2018 (Ereignis > HQ30, ca. 420m3/s ) hat das Hochwasser das rechte Ufer im Bereich des ehemaligen Holzkastenwehr angegriffen, was zu einem beinahe vollständigen Abtrag der Anlage vom rechten zum linken Ufer zur Folge hatte. Zudem wurde das gesamte Geschiebe, das sich über mehrere hundert Meter hinter der Wehranlage in der Schluchtstrecke der Gail angelandet hatte, ausgeschwemmt wodurch die Gewässersohle in diesem Bereich mehrere Meter eingetieft wurde.

Aufgabe der Planung und Ausführung war nunmehr die Wiederherstellung der Anlage unter nachfolgenden Randbedingungen.

  • Die Anlage sollte ein Hochwasser mit der Jährlichkeit 100 (600 m3/s) abführen können
  • Erhöhung der Wehranlage auf das Stauziel des Kraftwerkes
  • Dosierte Weiterleitung von Geschiebe bei Abflüssen über der Ausbauwassermenge
  • Auf Grund des Umstandes, dass das Lesachtal im gegenständlichen Bereich einer tektonischen Störung unterliegt (Indiz dafür waren starke Zerlegungen des Felshorizontes am rechten Ufer), musste die Anlage so gestaltet sein, dass die Anlage kleinere Talzuschübe aufnehmen kann.
  • Berücksichtigung von sehr rasch auftretenden Hochwässern in der Bauphase.
  • Auf Grund der Grenzlage zu einem Natura 2000 Gebiet war der architektonischen Gestaltung der Anlage höchstes Augenwerk zu schenken.

 

 

 

Im Zuge der Projektentwickung wurden drei Ausführungsvarianten Varianten diskutiert:

  • Wiederherstellung des Holkastenwehres
  • Errichtung einer fischdurchgängigen Sohlrampe mit Wasserbausteinen
  • Bau einer Wehranlage in Stahlbeton mit Stahlpanzerung der Überfallkante

 

Da für die Wiederherstellung des Holkastenwehres keine ausführende Unternehmung mit einschlägiger Ausführungskompetenz gefunden werden konnte und eine flussabwärts liegende Sohlrampe im Zuständigkeitsbereich der Bundeswasserbauverwaltung bereits nach kurzer Zeit erhebliche Abnutzungen auf Grund des enormen Geschiebetriebs der Gail zeigte, fiel die Wahl auf die Errichtung eines Bauwerkes in Stahlbeton.

Geplant und ausgeführt wurde eine Wehranlage mit einer Bauhöhe von 7,0 m über Gründung, bei  einer freien Überfallbreite von 41,1m. Im ersten Bauschritt wurde eine Hochwasserentlastung für eine Kapazität entsprechend einem Hochwasserwasser der Jährlichkeit 1 mit einer lichten Breite von 4,0m und einer maximalen Durchflusshöhe von 7,0m errichtet. Im Anschluss wurde ein oberwasserseitiger Fangedamm errichtet, in dessen Schutz das dreiteilige Wehrfeldes gebaut werden konnte.

Zum Schutz gegen eine mögliche Unterspülung der Wehranlage wurden entlang der Bodenplatte Pfähle mit einem Durchmesser von 1,5m und einer Gründungstiefe von 6,0m im Düsenstrahlverfahren („DSV-Pfähle“) abgeteuft. Zusätzlich wurden oberwasserseitig ca. 30 Mikropfähle mit einer Länge von 12m eingebracht, um die Zugkräfte durch das anlandende Geschiebe und den Wasserdruck abzufangen.

Um mögliche Talzuschübe vom rechten Umfang schadlos für das Bauwerk abfangen zu können, wurden die drei Teile des Wehrfeldes um insgesamt 15° abgewinkelt und an den Schnittstellen beweglich verdübelt. Damit können Gebirgsbewegungen in geringem Umfang ausgeglichen werden, um substanzielle Schäden am Bauwerk zu vermeiden. In Verbindung mit den elliptisch ausgeführten Pfeilern an der Hochwasserentlastung und am rechten Ufer der Gail, wurde eine architektonisch anspruchsvolle Lösung am sensiblen Standort umgesetzt.

Zur Sicherung des Vorfeldes wurde über die gesamte Breite der Gail ein Sohlgurt in Steinkastenbauweise ausgeführt. Die Gründung erfolgte über einen vor Ort geschweißten Stahlkasten (Profile HE-A300) mit einer Gründungstiefe von 10m. Das Vorfeld selbst wurde mit Wasserbausteinen mit einem Einzelgewicht von 6 to ausgelegt.

Die Restwasserabgabe in der Ausleitungstrecke des Wasserkraftwerkes wird über eine auf dem Spülschütz aufgesetzte Regelklappe bewerkstelligt.

Mit der Errichtung der neuen Wehranlage „Wetzmann“ wurde ein wasserbautechnisches Bauwerk geschaffen, dass für die nächsten Jahrzehnte wieder den Hochwässern der Gail (sprachetymologisch „die Überschäumende“) trotzen wird und zudem ein optisch anspruchsvolles wasserbautechnisches Bauwerk darstellt.

Die baulich erstklassige Umsetzung (Fa. Swietelsky AG) wurde in der Zeit geringer Wasserführung der Gail in nur wenigen Monaten des Frühjahres 2020 umgesetzt.

Autor: DI Helmut Wackenreuther, Geos Consulting ZT GmbH, Klagenfurt
Geboren am 5. Jänner 1963 in Saalfelden/Salzburg; Studium der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien; mehrjährige Berufserfahrung bei einem österreichischen Energieversorgungsunternehmen und diversen Ingenieurbüros in Niederösterreich und Kärnten; 1996 Ablegung der Prüfung und Zulassung zum staatlich befugten Zivilingenieur für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft.